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Monsterverfahren: Prozess gegen Rotlichtboss in Wien eröffnet

Sechs Angeklagte, mehr als 100 Zeugen und mindestens 43 Verhandlungstage: Der Prozess gegen den mutmaßlichen Rotlichtboss Richard St. wurde heute, Montag, am Wiener Landesgericht eröffnet. Mit einem Urteil ist frühestens Mitte August zu rechnen.

Wien - Am Wiener Landesgericht ist Montag früh der Prozess gegen den mutmaßlichen Rotlichtboss Richard St. und fünf Mitangeklagte eröffnet worden. Sie sind der Bildung einer kriminellen Organisation, der Erpressung, der schweren Nötigung, der Freiheitsentziehung, mehrerer teils versuchter, teils vollendeter schwerer Körperverletzungen, schwerer Sachbeschädigungen bis hin zur betrügerischen Krida angeklagt. Vor Richter Stefan Erdei liegt ein Monsterverfahren: Er hat 43 Verhandlungstage anberaumt, mehr als 100 Zeugen sollen aussagen. Mit einem Urteil ist frühestens Mitte August zu rechnen.

St. und die anderen Angeklagten werden sich größtenteils nicht schuldig bekennen. Daher wird die Verhandlung wohl ein langwieriges Indizienverfahren, das sich nicht zuletzt auf die Resultate eines großen Lauschangriffs stützen wird, der vor der Verhaftung des Hauptangeklagten und seiner mutmaßlichen Komplizen im April 2010 durchgeführt worden war.

„Nokia-Club“ soll Schutzgeld kassiert haben

Laut Anklage soll der kroatische Staatsbürger Richard St. ab 1998 die Kontrolle der Rotlichtlokale vor allem am Gürtel in Wien erlangt haben. Sein Ruf über als Söldner der Fremdenlegion angeblich verübte Gewalttaten und als gewaltbereiter Betreiber von Rotlichtlokalen soll ihm dabei ebenso geholfen haben wie die Bereitschaft, Gewalt in Wien auszuüben. Richard St. soll sich eine weitverzweigte Machtstruktur aufgebaut haben, wobei ihm unter anderem die Mitangeklagten Peter A., ein hünenhafter Wiener, und Dusko R. als Handlanger und Mittäter behilflich gewesen sein sollen.

Wenn diese mutmaßlichen Mitarbeiter von Richard St. erscheinen, sollen tätliche Auseinandersetzungen provoziert, Lokale beschädigt und Opfer teils schwer verletzt worden sein. Neben dem materiellen Schaden sollen in den betroffenen Betrieben auch die Gäste aus Angst vor solchen Auseinandersetzungen ausgeblieben sein. In den betroffenen Lokalen dürfte die unter dem Namen „Nokia-Club“ in informierten Kreisen bekannte Organisation Schutzgeld kassiert haben. Im Preis inbegriffen soll auch der Schutz gewesen sein, wenn Gäste einmal tatsächlich in einem Lokal randalierten. Die Angeklagten sollen daraus ein regelmäßiges Einkommen bezogen haben.

Entführung und Buttersäure-Anschläge

Ein paar Details der Anklage: So soll Richard St. dafür gesorgt haben, dass ein Mann, der Gelder veruntreut hatte, in seinem Auftrag in einem Pkw entführt und während einer 25 Kilometer langen Fahrt grün und blau geschlagen wurde. Weiters werden zwei Buttersäure-Anschläge auf Lokale missliebiger Konkurrenten erwähnt.

Eine im Rotlicht tätige Geschäftsfrau aus dem Bezirk Ried im Innkreis, die Richard St. offenbar ins Gehege gekommen war, wurde laut Anklage im Juli 2004 nachts von einem mit einem schwarzen Vollvisierhelm getarnten Mann überfallen, der so lange mit einem Baseball-Schläger auf sie einschlug, bis sie sich tot stellte. Die bei diesem Angriff schwer verletzte Frau leidet seither an einer posttraumatischen Belastungsstörung, weshalb dieses Delikt als absichtliche schwere Körperverletzung mit Dauerfolgen angeklagt ist.

Zudem war den Ausführungen der Anklagebehörde gemäß eine „Vergeltungsaktion“ gegen eine ehemalige Lebensgefährtin eines Mitangeklagten geplant, die man angeblich Anfang 2010 mit Chloroform betäuben, auf die Donauinsel bringen, entkleiden und ins Wasser werfen wollte. Obwohl die Frau wochenlang ausgekundschaftet wurde, gelangte die Tat nicht zur Ausführung. (APA)