Spanien

„Wir kommen wieder“: Spaniens „Empörte“ sind zurück

„Wir gehen, aber wir kommen wieder“. Mit diesen Worten verabschiedeten sich vor zwei Jahren die Sprecher der spanischen Protestbewegung der „Empörten“, nachdem die Polizei nach wochenlangen Demonstrationen die Protestcamps in Madrid zwangsräumen ließ. Nun haben sie ihr Versprechen eingelöst.

Madrid – Zwei Jahre nach Beginn ihrer Protestbewegung am 15. Mai 2011 haben sich Spaniens „Indignados“ („Empörte“) nun wieder zurückgemeldet. Am Sonntag gingen landesweit Tausende Spanier aus Protest gegen die hohe Arbeitslosigkeit und die Sparpolitik der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) auf die Straße. In rund 20 Städten fanden Protestkundgebungen statt, die größte und symbolträchtigste in Madrid. Die Kundgebung stand unter dem Motto „Von der Empörung zur Rebellion“.

Die Protestbewegung scheint zum zweiten Jahrestag an Mobilisierungskraft verloren zu haben. An den drei Protestmärschen, die am Sonntagabend auf der Puerta del Sol zusammentrafen, beteiligten sich mit einigen Tausend Demonstranten weitaus weniger „Empörte“ als noch vor zwei Jahren. Dennoch trat die Protestbewegung nun strukturierter und mit klareren Forderungen auf. So riefen auch verschiedene Gruppen und Initiativen zur Protestbeteiligung am Sonntag auf, die sich in den vergangenen zwei Jahren nach Auflösung der Protestcamps der „Empörten“ gebildet hatten.

Die Proteste gruppierten sich in unterschiedlichen Sektoren. So protestierten Ärzte, Krankenschwestern und Pflegepersonal gegen die empfindlichen Kürzungen und Massenentlassungen im staatlichen Gesundheitssystem und die Privatisierung von Spitälern. Lehrer, Schüler und Studenten stimmten Protestgesänge gegen den Kahlschlag im öffentlichen Bildungssystem an. Bankenopfer versammelten sich ebenso wie die Opfer von Zwangsräumungen und Hypotheken-Opfer. Auch gab es Gruppen, die gegen die geplante Gesetzesreform der Regierung protestierten, welche die von der sozialistischen Vorgängerregierung liberalisierten Abtreibungsregeln wieder verschärfen soll.

„Die Rotstiftpolitik funktioniert nicht“

Gemeinsam protestierten die Spanier vor allem aber gegen den eingeschlagenen Wirtschaftskurs der Regierung. „Die Regierung spart und spart. Die Rotstiftpolitik funktioniert aber nicht. Vor zwei Jahren waren es 4,5 Millionen Arbeitslose, heute sind es bereits sechs Millionen. Wir haben immer mehr Gründe, um auf die Barrikaden zu gehen“, sagte ein Protestsprecher am Rande der Demonstration dem Radiosender Cadena Ser.

Unterdessen nannte Carlos Estévez von der Plattform spanischer Hypothekenopfer (PAH) die knapp 350.000 Zwangsräumungen, die seit dem Ausbruch der Krise 2008 in Spanien von den mit Milliarden von Steuergeldern geretteten Banken durchgeführt wurden, einen Grund mehr, auf die Straße zu gehen. Allein im vergangenen Jahr wurden fast 50.000 Zwangsräumungen vollstreckt, weil die Wohnungsinhaber die Raten der Bankdarlehen nicht zahlen konnten. Einige Betroffene nahmen sich aus Verzweiflung gar das Leben.

Vor allem eine neue Protestform, welche die Hypothekenopfer in den vergangenen Wochen in Spanien ins Leben gerufen haben, wurde auf der Kundgebung von Tausenden reklamiert: „Escraches gegen das System!“ schrien die Demonstranten. „Escraches“ sind Protestaufmärsche vor den Wohnungen und Arbeitsstellen der Regierungspolitiker. Damit wollten die Hypothekenopfer die Politiker unter Druck setzen, um ein neues Hypothekengesetz zu verabschieden, dass verarmten Familien mehr Schutz vor den Banken gibt.

Regierung: „Nazi-Methoden“

Ob in Zukunft nun auch andere Initiativen diese radikale und von der Regierung mit „Nazi-Methoden“ verglichene Protestform übernehmen, bleibt abzuwarten. Einig waren sich die Demonstranten am Sonntag jedoch darüber, dass sich in Spanien etwas ändern muss, damit es nicht zum Aufstand kommt. So hielten Protestler immer wieder Plakate gegen die in Spanien zunehmende Korruption von Politikern, gegen die strikte Sparpolitik und gegen das politische System in die Luft. „Unser Kampf geht weiter. Wir sind zurück. Es gibt viel zu tun“, rief ein Protestsprecher am Sonntag auf der Puerta del Sol in die Menge und erhielt begeisterten Beifall.

Ein Kampf, der demnächst sogar sehr strukturierte Konturen annehmen könnte. Einige Anhänger der Protestbewegung der Empörten planen seit einigen Monaten tatsächlich die Gründung einer „Partei der Empörten“, um an den kommenden Parlamentswahlen teilzunehmen. Sie wollen die verkrusteten Partei- und Regierungsstrukturen aufbrechen und all den unzufriedenen Spaniern, die sich nicht mehr im Parlament repräsentiert fühlen, eine neue Plattform geben. (dpa)