Ein Dorf namens Bundesliga
Dorfvereine platzen ins Bundesliga-Konzert arrivierter Vereine, doch das bringt auch Probleme mit sich.
Von Florian Madl
Innsbruck –Christian Haas lässt nichts unversucht. Der Schrottplatzbetreiber und Fußball-Manager versucht seit geraumer Zeit, Grödiger zu Spielen in seine Untersbergarena zu locken, eine Tombola dient als Lockvogel. Jeder Haushalt erhält dafür ein Gratis-Los, gezogen wird in Heimspielen des frischgebackenen Bundesliga-Aufsteigers. Doch die vergangenen sechs Male kam keiner, um das Geld abzuholen, der Jackpot liegt mittlerweile bei 7000 Euro.
Das Szenario passt ins Bild: Kaum eines der zahlreichen Unternehmen in der 7000-Einwohner-Gemeinde – hier werden die weltberühmten Mozartkugeln geformt – konnte als Sponsor gewonnen werden, den Großteil des Budgets (4 Mio. €) bestreitet eine deutsche Schrottfirma. Der Verein – ein Fremdkörper? „Es fehlt die Verankerung, da hilft das Bemühen nichts“, erzählt ein Salzburger Journalist.
Vielleicht passierte auch alles viel zu schnell: Noch vor zehn Jahren dümpelte die Mannschaft in Salzburgs zweitletzter Spielklasse herum, ab Sommer misst man sich mit Rekordmeister Rapid. Einheimische fehlen, am Platz wie auch auf der Tribüne. Die wurde erweitert, pikanterweise lieferte mit Wiener Neustadt ein weiterer Bundesliga-Jüngling Bauteile. Wie viele darauf sitzen werden, vermag man in Grödig nicht einzuschätzen.
Das gilt auch für die Zukunft der Autobahnunterführung, die für Gästebusse zu niedrig ist. Erfolgscoach Adi Hütter sieht die Situation pragmatisch: „Was können wir dafür, wenn es den Traditionsklubs nicht gelingt, wirtschaftlich gut zu arbeiten?“ Er finde es „bedenklicher“, dass in großen Städten wie Innsbruck und Salzburg nur 5000 Leute ins Stadion kämen. Gerade Red Bull Salzburg, deren Stadion gerade drei Autobahnabfahrten entfernt ist, soll den Grödigern Flügel verleihen. Die Hoffnung: Wer des VIP-Theaters überdrüssig ist und wieder Bundesliga-Luft samt Würstl-Duft schnuppern will, ist in Grödig richtig. Der Zuschauerschnitt bei den Bullen sank seit der Gründung jede Saison um 1500 Personen, genug Potenzial also.
Schauplatzwechsel: In der Bedrängnis wachsen selbst sportliche Rivalen zusammen. Noch am Abend, als die Kärntner 160-Einwohner-Gemeinde Aich/Dob den österreichischen Volleyball-Titel gegen Hypo Tirol fixierte, bot sich der Innsbrucker Manager Hannes Kronthaler als Geburtshelfer an. Richtig gelesen: Der Tiroler Zampano weiß schließlich, dass die rauschende Feier einer Champions-League-Qualifikation bisweilen im Kater endet. „Mir braucht man nicht erzählen, was das alles kostet“, sagt Kronthaler, der trotz des Vizemeistertitels auf eine Wild Card für die europäische Königsklasse hofft. Ein Stück weit Masochismus, aber zumindest in gewachsenen Strukturen. Nahe der slowenischen Grenzen fehlen diese. Nur Begeisterung ist feststellbar, die geht dem Fußball-Dorfverein Grödig ab. Aber damit allein lassen sich in Aich keine zehn Legionäre und die für die Champions League erforderlichen Reisen (200.000 €) bezahlen.
„Noch fühlt sich alles unwirklich und wie in Trance an“, erzählte Sportdirektor Martin Micheu in einem Meister-Interview. Ob das am 22. Oktober, Tag des ersten Champions-League-Gruppenspiels, noch genauso ist?