Fabrikeinsturz

1127 Tote in Bangladesch: H&M, Zara und Co. ziehen Konsequenzen

Die Suche nach Überlebenden und Leichen ist eingestellt. Die traurige Bilanz nach dem Fabrikeinsturz in Bangladesch: 1127 Tote und 2438 Verletzte. Nun zieht die Regierung erste Konsequenzen. Und auch H&M stimmt endlich einem Maßnahmenkatalog zu, der das Arbeiten in den Textilfabriken sicherer machen wird.

Dhaka – Rund drei Wochen nach der Fabrikseinsturz-Katastrophe steht die traurige Bilanz der größten Tragödie in der Textilindustrie von Bangladesch fest. 1127 Tote wurden aus den Trümmern des eingestürzten Gebäudes geborgen, 2438 Menschen wurden verletzt.

Die Fabriken im Land stehen bis heute teilweise still – oft aufgrund der erbärmlichen Sicherheitssituation in baufälligen Fabriksgebäuden, manchmal weil gegen die Arbeitsverhältnisse gestreikt wird. Seltener, aber dafür umso hartnäckiger, halten sich teilweise gewalttätige Unruhen, zu denen es bei den Protesten kommt.

Die Regierung in Dhaka steht jedenfalls unter großem Druck. Der Einsturz hat der Bevölkerung – aber auch den Konsumenten in aller Welt – gezeigt, dass Desaster in den Textilfabriken des Landes keine „Unglücksfälle“ sind. Mit dem Unvorhersehbaren war in der Vergangenheit oft argumentiert worden. Das Drama wuchs den Verantwortlichen dieses Mal aber über den Kopf hinaus.

Kein Platz fürs Aussitzen

Da war kaum Platz mehr für das übliche Totschweigen oder für Bauernopfer, denen man die Schuld einfach unterschob. Dieses Mal zeigte sich, dass solche Desaster vermeidbar und die Opfer umsonst waren. Und dass die sinnlose Trauer von gierigen Produzenten, bestechlichen Beamten, Architekten und Bauunternehmern offenbar in Kauf genommen wurde.

Die Reaktion der Politik überzeugt auf den ersten Blick nicht. Die Rechte der Textilarbeiter wurden in einem ersten Schritt gestärkt. Sie dürften sich zukünftig in unabhängigen Gewerkschaften zusammenschließen und Lohnverhandlungen führen, erklärte Sprecher Mosharraf Hossain Bhuiyan am Montag in Dhaka. Die Regierung kippte damit eine Regelung, wonach die Arbeiter für die Gründung einer Gewerkschaft die Zustimmung des Fabrikbesitzers brauchen.

Am Sonntagabend hatte das Kabinett außerdem entschieden, den gesetzlichen Mindestlohn von Textilarbeitern anzuheben, der derzeit bei etwa 30 Euro liegt. Eine neue Summe wurde aber noch nicht festgelegt.

Außerdem begannen die Behörden damit, in fast 950 Fabriken im Land Sicherheitsstandards durchzusetzen. Die Arbeitsbedingungen dort waren von einer Untersuchungskommission am Sonntag als riskant eingestuft worden. 18 Fabriken wurden bereits geschlossen.

Bestechung, Korruption - und dennoch Lichtblicke

Dass diese Maßnahmen allein ausreichen werden, um in Zukunft ähnliche Katastrophen zu verhindern, wird bezweifelt. In den fast 4000 Textilunternehmen in Bangladesch arbeiten mehr als 3,5 Millionen Menschen. Die Textilindustrie ist der wichtigste Wirtschaftszweig in Bangladesch, der größte Devisenbringer und damit auch besonders anfällig für Bestechung, Korruption und die Politik der zusammengekniffenen Augen.

Einen Lichtblick lieferte dieser Tage allerdings einer der größten Auftraggeber von Textilprodukten für den Export, die schwedische Modekette H&M. Das Unternehmen stimmte am Montag zu, ein Abkommen zu unterzeichnen, das von ihren Händlern einen Beitrag zur Finanzierung von Brandschutzmaßnahmen und Gebäudeverbesserungen in jenen Fabriken in Bangladesch verlangt, die von ihnen benutzt werden. Nur Minuten nachdem H&M diesen Schritt angekündigt hatte, folgte Zara und erklärte ebenfalls das Abkommen unterzeichnen zu wollen.

Auch Tchibo will sich an Vereinbarung beteiligen

Aus Deutschland wollen sich die Modekette C&A und der Konsumgüterhersteller Tchibo beteiligen. Auch der Textildiscounter Primark will das Abkommen unterzeichnen. Die Internationale Arbeitsorganisation, Gewerkschaften wie IndustriALL und andere haben die auf fünf Jahre angelegte Vereinbarung ausgehandelt, deren finaler Entwurf am Mittwoch veröffentlicht werden soll. Ein IndustriALL-Sprecher forderte andere Einzelhändler wie Gap und Wal-Mart auf, sich anzuschließen. Die Calvin-Klein-Mutterfirma PVH (Calvin Klein/Tommy Hilfiger) habe signalisiert, sich ebenfalls mit einem Millionenbetrag beteiligen zu wollen.

Das Abkommen ist rechtlich verpflichtend, verlangt nach unabhängigen Sicherheitsinspektionen inklusive öffentlichen Berichten und verpflichtenden Gegenmaßnahmen. Außerdem wird den unterzeichnenden Unternehmen verboten, bei Firmen produzieren zu lassen, die nicht in die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen investieren wollen oder sich gegen gewerkschaftliche Organisation und Mitspracherechte der Mitarbeiter wehren.

Das Abkommen verpflichte das Unternehmen auf das Ziel einer sicheren und nachhaltigen Textilindustrie in Bangladesch, in der „kein Arbeiter Angst vor Feuern, Gebäudeeinstürzen oder anderen Unfällen haben muss, die durch vernünftige Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen vermeidbar gewesen wären“, hieß es in einem Statement des Unternehmens. (tt.com, dpa, Reuters)