Massiver Felssturz in Matrei: Suche wäre lebensgefährlich
Ein dramatischer Felssturz hält die Einsatzkräfte in Osttirol in Atem. Eine Lawinengalerie der Felbertauernstraße wurde auf einer Länge von 100 Metern zur Gänze zerstört. Ein Fahrzeug mit Wiener Kennzeichen wird unter den Geröllmassen vermutet - doch eine Suche wäre derzeit zu gefährlich.
Von Claudia Funder
Matrei i.O. – Am Dienstag hat sich gegen 1:40 Uhr auf der Felbertauernstraße im Gemeindegebiet von Matrei in Osttirol, etwa einen Kilometer vom Südportal des Tunnels entfernt, ein massiver Felssturz ereignet. Die sogenannte „Schildalmgalerie“ wurde auf einer Länge von knapp 100 Metern verschüttet und stürzte zur Gänze ein. Riesige Betonteile donnerten Dutzende Meter in die Tiefe, die Straße wurde durch das Ereignis zum Teil weggerissen. Ohrenzeugen berichten von einem gewaltigen Knall.
„Derzeit kann noch nicht ausgeschlossen werden, dass dabei auch Fahrzeuge verschüttet wurden und Menschen zu Schaden kamen“, erklärt der Einsatzleiter und Bürgermeister von Matrei, Andreas Köll. Er selbst hatte großes Glück: „Ich habe die Galerie etwa 40 Minuten vor dem Ereignis auf meiner Heimfahrt von Innsbruck passiert“, erzählt der Politiker.
Wiener Pkw unter den Geröllmassen?
Nach wie vor wird befürchtet, dass sich ein Fahrzeug unter den Geröll- und Betonmassen befinden könnte. Ein Holländer, der kurz vor dem Felssturz mit seinem Fahrzeug vor der Galerie zu stehen kam, sagte aus, dass ein Pkw mit Wiener Kennzeichen die Stelle zu diesem Zeitpunkt passiert haben könnte. Dieser habe den Holländer kurz vorher überholt. Angeblich sollen sich in dem Fahrzeug zwei Wiener befunden haben. Seither fehle von den Insassen jede Spur.
Der Notruf des Urlaubers ging um 1:44 Uhr ein. Schon wenig später sei der Hang mit Scheinwerfern ausgeleuchtet worden, berichtet Karl Poppeller, Vorstandsdirektor der Felbertauernstraße AG. „Es ist eine der größten Katastrophen entlang der Felbertauernstraße und war ein völlig unvorhersehbares Ereignis. Die Straße wird mit einem engen Kontrollnetz regelmäßig geprüft.“
Noch in der Nacht sei das Ausmaß des Felssturzes erkundet worden. Doch erst bei Tagesanbruch zeigte sich das wahre Ausmaß des Ereignisses.
Suche nach Fahrzeug zu riskant
Die Suche nach dem Fahrzeug sei derzeit zu riskant, man wolle keine Personen in den Absturzbereich schicken, betont Bezirkshauptfrau und Bezirkseinsatzleiterin Olga Reisner. Köll dazu mit Verweis auf das Grubenunglück vom Juli 1998: „Wir wissen alle, was in Lassing passiert ist.“ (Beim Unglück wurden Bergleute verschüttet, als kurz danach Retter in den Berg einfuhren, ereignete sich ein weiterer Schlammeinbruch, der allen zehn Rettern das Leben kostete)
Seit den Morgenstunden finden Begutachtungen aus der Luft mit dem Polizeihubschrauber „Libelle“ und den Landesgeologen Gunther Heissel und Hans Schroll sowie einem Vertreter der Gemeindeeinsatzleitung statt. Auch Wärmebildkameras sind im Einsatz.
Einsatzkräfte der Felbertauernstraße AG, der Polizeiinspektion Matrei, der Freiwilligen Feuerwehr, der Bergrettung mit einer Suchhundestaffel sowie der Gemeindeeinsatzleitung der Marktgemeinde Matrei in Osttirol befinden sich vor Ort. Derzeit laufen intensive Beratungen über die weitere Vorgangsweise.
35.000 Kubikmeter-Erdrutsch
Heissel und Schroll waren um 3.30 Uhr von der Landeswarnzentrale angefordert worden und machten sich aufgrund der Brisanz sogleich beide auf den Weg nach Osttirol. 35.000 m³ Fels, Erdreich und Bäume seien zu Tal gestürzt, weiß Heissel. „Die Ursache steht noch nicht eindeutig fest. Es gibt steil stehende Trennflächen, die Wasser eindringen lassen. Dieses eingetretene Wasser dürfte der entscheidende Faktor gewesen sein.“
Die Absturzwand sei, so der Landesgeologe, noch sehr labil. Morgen werden Sprengungen durchgeführt. „Derzeit kann man jedenfalls keinen Menschen in diesen Bereich lassen“, bestätigt Heissel denn: „Es könnte zu Nachstürzen von Blöcken kommen.“
Sperre mindestens bis Pfingsten
Die Felbertauerntraße, einzige Straßenverbindung zwischen Salzburg und Osttirol, bleibt voraussichtlich bis nach Pfingsten gesperrt. Die Aufräumarbeiten werden mindestens eine Woche in Anspruch nehmen.
Pkw werden über die ÖBB-Tauernschleuse zwischen Böckstein und Mallnitz und durch das Südtiroler Pustertal umgeleitet. Lkw müssen großräumig über die Tauernautobahn A10 ausweichen. Der Umweg erfordert etwa 2,5 Stunden mehr Fahrzeit.
Aufgrund der Ereignisse wird der Passübergang über den Staller Sattel heute ab 19 Uhr vorzeitig wieder geöffnet. Die Fahrt von Österreich nach Italien ist dann ganztägig zu jeder vollen Stunde jeweils für 15 Minuten möglich.
Zur Zeit der vorübergehenden Sperre der Felbertauernstraße bietet die Großglockner Hochalpenstraße längere Öffnungszeiten an. Lässt es die Witterung zu, ist diese täglich bereits ab 5.30 Uhr offen. Die Nachtsperre startet erst um 21.00 Uhr.