Heftige Attacken auf „Giftminister“, doch Berlakovich bleibt im Amt
Agrar- und Umweltminister Nikolaus Berlakovich musste sich am Dienstag in der „Bienen-Sondersitzung“ des Nationalrats gegen das geballte Misstrauen von Grünen, FPÖ, BZÖ und Team Stronach zur Wehr setzen. Seinen Posten behält Berlakovich schlussendlich aber.
Wien – Nach einer hitzigen Debatte ist sich der Nationalrat in Sachen Biene plötzlich einig. Alle Fraktionen segneten am Ende der Bienen-Debatte im Rahmen der Sondersitzung des Nationalrats einen – freilich unverbindlichen – von der Koalition erdachten Entschließungsantrag ab, der vor allem eine tiefergehende Gift-Diskussion zum Ziel hat (siehe Infobox). Trotz dieser Einstimmigkeit sprach die Opposition Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) geschlossen das Misstrauen aus, was aber nichts nützte, da die Koalition dem Ressortchef die Stange hielt. In der Begründung des Misstrauensantrags hieß es, dass die österreichische Umweltpolitik unter Berlakovich einen „tragischen historischen Tiefstand“ erreicht habe. Der Ressortchef habe in seiner Rolle als oberster Umweltschützer in wesentlichen Bereichen komplett versagt und stelle Einzelinteressen konsequent über den Schutz der Umwelt sowie der menschlichen Gesundheit.
Minister verteidigte sich
In Beantwortung der „Dringlichen Anfrage“ der FPÖ versuchte Berlakovich, sich gegen die oppositionellen Angriffe zu verteidigen. Der Ressortchef wies Vorwürfe zurück, wonach Sponsoring seitens der Chemiekonzerne für seine ursprüngliche Ablehnung eines befristeten Pestizidverbots verantwortlich gewesen sei. Berlakovich zeigte sich in seiner knapp 20-minütigen Rede bemüht, einen Ausgleich zwischen den Interessen von Landwirten und Imkern zu schaffen. Beide Berufsgruppen wurden vom Minister mit Lob und Dank überhäuft.
Gleichzeitig versuchte er für eine differenzierte Herangehensweise an das Thema zu werben, indem er darauf aufmerksam machte, dass in Deutschland das Bienensterben genauso ausgeprägt sei wie in Österreich, obwohl dort keine Neonicotinoide zum Einsatz kämen.
Den Vorhalt, dass er Informationen über den Einsatz der umstrittenen Pestizide absichtlich zurückhalte, konnte Berlakovich nicht nachvollziehen. Der Minister sieht sich auch weiterhin durch die Gesetze zur Geheimhaltung verpflichtet. Eine Ausnahme machte er aber nach Rücksprache mit den Betroffenen und gab bekannt, dass im Jahr 2011 9,77 Tonnen der umstrittenen Neonicotinoide zum Einsatz gekommen seien. Davor hatte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in der Begründung der „Dringlichen Anfrage“ mit einer Anzeige gedroht.
Heftige Debatte auch zwischen Koalitionspartnern
Nach Berlakovichs Ausführungen brach im Parlament eine hitzige Debatte aus. Auch die Koalitionspartner SPÖ und ÖVP schenkten sich in der Diskussion eigentlich nichts. SPÖ-Klubchef Josef Cap etwa kann mit Berlakovichs Hinweis, dass einem Verbot der Pestizide ein Einsatz von Gentechnik folgen könnte, nichts anfangen: Niemand halte den Minister auf, für ein europaweites Verbot der Gentechnik einzutreten. Das Problem seien vielmehr „unbelehrbare“ Bauernbundfunktionäre. Es sei auch unverantwortlich, wenn Chemiekonzerne versuchten, sich einzukaufen und Untersuchungen zu beeinflussen, spielte er auf die „Melissa“-Studie an.
Bienen seien der Motor des Ökosystems, „da können wir nicht herumblödeln“, tadelte Cap auch die Opposition, die heute besonders mit Aktionismus auffiel.
„Ich habe noch selten so eine verlogene Diskussion erlebt wie diese“, meinte dagegen ÖVP-Klubobmann Kopf. Es bestehe kein Zweifel, dass Bienen wichtige Nutztiere seien, „aber sind wir doch ehrlich“, wir alle setzten jeden Tag Chemie in Haushalt, Garten oder Pharmazie ein. Es gehe darum, Risiken und Nutzen abzuwägen und dann zu entscheiden, ob ein Produkt zugelassen wird. Hier gehe es lediglich um „billiges politisches Kleingeld“, vermutete er.
Im Zweifel sei er auch dafür, das Verbot von Nicotionoiden zu unterstützen. Aber eines müsse auch klar sein: „Wir stürzen damit viele kleine Bauern in Österreich in existenzielle Probleme.“
Glawischnig: „Bienen können nicht Bauernbund-Mitglied werden“
Grünen-Chefin Eva Glawischnig lud die SPÖ ein, den Misstrauensantrag gegen Berlakovich zu unterstützen. Es gebe in Österreich Tausende Landwirte, die ohne Gifte produzieren, „das nennt sich Bio-Landwirtschaft“, trat sie Kopfs Warnungen entgegen. Berlakovichs Haltung versteht sie ebenfalls nicht: „Welchen Teil des Wortes ‚Gift‘ haben Sie nicht verstanden?“ Die Bienen hätten ein Problem, denn sie könnten nicht Mitglied des ÖVP-Bauernbundes werden.
Berlakovich wisse seit drei Jahren, dass diese Pestizide dazu führen, dass Bienen sterben, kritisierte BZÖ-Klubobmann Josef Bucher. Diesen Vorwurf mache man auch der SPÖ. Auch Berlakovichs Argumentation mit dem Amtsgeheimnis sei „absurd“. „Hören Sie auf mit den Inseratenbomben, hören Sie auf mit den Umweltbomben und treten Sie endlich zurück!“
Robert Lugar, Klubchef des Team Stronach, sah das Problem darin, dass es um den Profit der Landwirtschaft gehe, die Folgen der Gifte trage aber jemand anders. Man nehme schädliche Umwelteinflüsse in Kauf, weil an erster Stelle die Profitmaximierung stehe.
Fünf Kilo Honig für Berlakovich
Das Bienen-Thema gab in der Debatte auch allerlei Gelegenheit für Spielereien. Das Team Stronach platzierte in seinen Reihen Maja-Stoffbienen, die meisten Grünen – angeführt von Klubobfrau Glawischnig – trugen ein gelbes T-Shirt mit dem Text „Ohne Biene geh‘n wir Maja“, FPÖ-Chef Strache brachte Berlakovich fünf Kilo Blütenhonig und dichtete als Biene „summ summ summ, der Lebensminister bringt mich um“ und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) leitete die Sitzung im schicken gelb-schwarzen Kostüm. (tt.com, APA)