NSU-Prozess

„In zehn Fällen heimtückisch, aus niederen Beweggründen getötet“

Nach einer Flut von Anträgen hat kurz vor 16 Uhr am zweiten Verhandlungstag die Verlesung der Anklageschrift begonnen. Zschäpe wird des zehnfachen Mordes, des versuchten Mordes in insgesamt vier Fällen, des bewaffneten Raubes und der schweren Brandstifung angeklagt.

München - Auch der zweite Verhandlungstag im Münchner Prozess um die Neonazi-Mordserie des rechtsextremen NSU ist schleppend angelaufen. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe betrat den Gerichtssaal in München am Dienstag in einem grauen Hosenanzug, die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Den Fotografen und Kameraleuten drehte sie den Rücken zu, während sie vor Sitzungsbeginn mit ihren Verteidigern redete.

Bereits in der ersten Stunde wurde die Verhandlung zwei Mal wegen Anträgen unterbrochen: Während die Verteidigung die Verlegung des gesamten Verfahrens in einen anderen Gerichtssaal verlangte, drängte die deutsche Bundesanwaltschaft auf eine rasche Verlesung der Anklage.

„Der Einfallsreichtum der Verteidigung ist offensichtlich unerschöpflich“, kommentierte Bundesanwalt Herbert Diemer die Antragsflut. Der Anwalt von Angehörigen des ermordeten Halit Yozgat, Thomas Bliwier, beantragte, alle anderen Anträge zurückzustellen und endlich die Anklage zu verlesen. Es gebe „keine triftigen Gründe, die ein Abweichen von der gesetzlich vorgesehenen Reihenfolge des Verhandlungsgangs rechtfertigen“, sagte Bliwier.

Anklage-Verlesung startete mit großer Verzögerung

Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl unterbrach daraufhin die Verhandlung erneut, um darüber zu entscheiden, wie der Prozess nun weitergehen soll. Ursprünglich sollten am Dienstag zunächst die Personalien der Angeklagten festgestellt und dann die Anklageschrift verlesen werden.

Dazu kam es dann endlich um kurz vor 16 Uhr. Gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wurde die maximale Anklage zugelassen. Der Vorwurf lautet auf Mittäterschaft bei zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen. Außerdem soll sie an 15 bewaffneten Raubüberfällen beteiligt gewesen sein. Nach dem Tod ihrer mutmaßlichen Komplizen soll sie zudem die gemeinsame Wohnung in Zwickau in Brand gesetzt haben, was ihr die Vorwürfe der schweren Brandstiftung und des Mordversuchs an einer Nachbarin und zwei Handwerkern einbringt.

Maximal-Anklage für Zschäpe

Neben Zschäpe sind noch Ralf Wohlleben und Carsten S. wegen Beihilfe zum Mord und André E. sowie Holger G. wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation angeklagt. André E wird zudem Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag und damit versuchter Mord in Köln vorgeworfen.

Die Feststellung der Personalien scheitert im Übrigen an der Hauptangeklagten. „Sie wird keine Angaben zur Person machen“, erklärte ihr Verteidiger Wolfgang Heer.

Auf drei Seiten sind die Vorwürfe gegen Beate Zschäpe aufgelistet. In zehn Fällen - so die Anklage - habe sie „heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen einen Menschen getötet“, dieselbe Handlung soll sie zudem in einem Fall versucht haben.

Dabei handelt es sich um den Beamten, der am 25. April 2007 in Heilbronn im Beisein von Michéle Kiesewetter angeschossen wurde. Kiesewetter starb, der Kollege überlebte schwer verletzt.

Zschäpes nationalistisch geprägte Vorstellungen wurden von dem NSU „unterschiedlos geteilt. Das sei Zschäpe bewusst gewesen, in „jedem Einzelfall“ habe sie „den Erfolg gewollt“. Zschäpe habe außerdem bei der Beschaffung von Waffen und Tarnpapieren mitgewirkt. Sie soll weiters das bei Raubüberfällen erbeutete Geld verwaltet haben und sie beschäftigtes sich zudem mit der Erstellung der Bekenner-DVD des NSU. Zschäpe selbst blieb während der Verlesung der Anklagepunkte durch Bundesanwalt Herbert Diemer ruhig. Sie folgte den Ausführungen aufmerksam, aber stumm. (tt.com, dpa)