Das geteilte Bedürfnis nach Trost
Chelsea kämpft im heutigen Europa-League-Finale um ein historisches Trostpflaster, Benfica Lissabon gegen den „Bela-Guttmann-Fluch“, der die Portugiesen seit 1962 mit sechs verlorenen Endspielen verfolgt.
Amsterdam –Champions-League-Sieger 2012 sind die Abramowitsch-Günstlinge noch bis zum 25. Mai! Europa-League-Sieger 2013 können sie schon ab 15. Mai sein. Bleiben zehn Tage, in denen sich die FC Chelsea-Stars ganz Fußball-Europa überlegen fühlen könnten.
Die Londoner haben jedenfalls den Europacup-Doppelpack fest im Visier und sie gehen auch als Favorit in das Finale des „Trostbewerbs“ gegen Benfica Lissabon heute Abend (20.45 Uhr/live ORF eins) in Amsterdam. Für beide Teams ist es das Ende einer langen Europacup-Reise, die in der „Königsklasse“ begann und nach dem dortigen Gruppenplatz drei in der Europa League fortgesetzt wurde
Chelsea muss gewinnen, um eine enttäuschende Saison mit zu Beginn sieben Titelchancen doch noch zu einem positiven Ende zu bringen. „Möglicherweise kommt jetzt der beste Moment der Saison. Wir können einen Europacup-Titel gewinnen und uns in der Meisterschaft ein Ticket für die Champions League sichern“, sagte Juan Mata, der als trickreicher Offensivvirtuose 23-mal im spanischen Nationalteam zum Einsatz gekommen ist: „Zwei europäische Titel hintereinander zu holen, wäre ein historisches Trostpflaster!“
Benfica scheint den Meistertitel verloren zu haben, will sich mit dem ersten Europacup-Sieg seit 1962 (Meistercup) international zurückmelden. Ein gutes Omen ist, dass sie auch den bisher letzten Triumph in Amsterdam feiern durften – nach einem 5:3-Erfolg gegen Real Madrid. Damit konnte Lissabon seinen Titel verteidigen. Bei beiden Titeln waren die Portugiesen vom ungarischen Startrainer Bela Guttmann (der Weltenbummler war 1964 Trainer des österreichischen Nationalteams und 1973 Technischer Direktor bei Austria Wien) gecoacht worden. Klar, dass er eine Gehaltserhöhung gefordert hatte. Aber der damalige Clubpräsident António Vital widersprach. Aufgrund der folgenden Trennung soll Guttmann, auch Entdecker von Eusébio, dem besten aller Benfica-Spieler aller Zeiten, magere Jahre für den Klub prophezeit haben: „Benfica wird in Europa nie wieder etwas gewinnen.“
Der 1981 gestorbene Guttmann behielt bislang Recht. Gleich sechs Endspiele, darunter fünf im Landesmeister-Wettbewerb, verlor Benfica nach seinem Abschied – zuletzt vor 23 Jahren beim 0:1 gegen den AC Milan in Wien, der Todesstätte Guttmanns. Seitdem zittern die Benfica-Fans vor dem „Bela-Guttmann-Fluch“. Womöglich mehr noch als vor Chelsea.
Diese verlorenen Endspiele lasten schwer auf den Herzen der Benfica-Familie.
Europapokal der Landesmeister:
1963: AC Mailand – Benfica Lissabon 2:1 (0:1)
1965: Inter Mailand – Benfica Lissabon 1:0 (1:0)
1968: Manchester United – Benfica Lissabon 4:1 n.V.
1988: PSV Eindhoven – Benfica Lissabon 0:0 n.V., 6:5 i.E.
1990: AC Mailand – Benfica Lissabon 1:0 (1:0)
UEFA-Cup
1983: RSC Anderlecht – Benfica Lissabon 1:0 (1:0) und 1:1 (1:1)
Mitgliedermäßig ist Benfica Chelsea haushoch überlegen: 224.000 zählen zur Benfica-Familie. Gemessen an der Mitgliederzahl gibt es weltweit (!) keinen größeren Sportverein. (dpa, winkl)