Felbertauern: Abbruchstelle in Osttirol ist extrem labil
Es wird lange dauern, bis die Felbertauernstraße wieder verkehrsfit ist. An Sanierung ist erst zu denken, wenn der Hang von instabilem Gestein befreit und die Unglücksstelle geräumt ist.
Matrei i. O. – Die einzig erfreuliche und wohl auch wichtigste Meldung zu Beginn: Die Polizei geht davon aus, dass sich keine Personen unter den am Dienstag talwärts gedonnerten Steinmassen befinden. Es gab bisher keine Vermisstenmeldung. Der Verdacht eines Holländers, ein Auto könnte kurz vor dem massiven Felssturz in die Schildalmgalerie an der Südseite des Felbertauerns eingefahren sein, hat sich somit nicht erhärtet.
Die Dimension der Katastrophe ist dennoch eine gewaltige. Fest steht, dass das noch immer nicht abschätzbare Ausmaß der Folgen deutlich größer ist, als am Tag eins angenommen worden war. Nun ist klar: Die Straßensperre wird nicht kurz nach Pfingsten, sondern erst in Wochen, wenn nicht gar Monaten aufgehoben werden können.
Denn die gigantische Abbruchstelle klafft wie eine offene Wunde, die nicht heilen will. Sie stellt nach wie vor eine massive Bedrohung dar.
Landesgeologe Hans Schroll schätzte die Lage gestern nach einem Erkundungsflug als „sehr kritisch“ ein. Ein 5000-m³-Fels in der Dimension mehrerer Einfamilienhäuser drohe von der Abbruchstelle abzustürzen.
Sprengung frühestens zu Mittag
Seit gestern laufen deshalb die Vorbereitungen für geplante Sprengungen durch eine Spezialfirma auf Hochtouren. Die erste Ladung soll heute gezündet werden. „Es wird aber frühestens zu Mittag dazu kommen“, sagte Michael Köll, der technische Leiter der Felbertauernstraßen AG am Donnerstag. Derzeit werden die Vorbereitungsarbeiten fortgesetzt.
Das Wetter könnte aber den Verantwortlichen einen Strich durch die Rechnung machen: In Osttirol ist am Donnerstag mit starken Niederschlägen zu rechnen. Diese könnten die Situation für die Einsatzkräfte noch gefährlicher machen. Die Mannschaften waren am Vormittag unter anderem mit dem Bohren der Sprenglöcher in einen rund 8000 Kubikmeter großen Felsblock beschäftigt. Die Arbeiten in dem steilen Gelände seien äußerst schwierig, die Männer müssten mit Seilen gesichert werden.
„Mit einer einzigen Sprengung ist es sicher nicht getan“, weiß Landesgeologe Schroll. „Der Abbruchbereich muss von oben nach unten gesäubert und die Sturzbahn geräumt werden. Allein diese Arbeiten, die nötig sind, den Bereich für weitere Maßnahmen sicher zu machen, dauern einige Tage.“ Prognosen seien schwierig. „Eine Unbekannte ist bei Sprengungen immer dabei. Ein Ende ist derzeit nicht in Sicht.“
Durch den Regen vor Ort steigt die Gefahr von weiteren Felsstürzen. Schroll: „Sehr instabile Fels- und Betonblöcke liegen kreuz und quer, sie könnten durch Eindringen von Wasser erneut in Bewegung geraten.“
Bis zur Sanierung gibt es viele Fragezeichen. Erst nach Pfingsten werde ein gesichertes Schadensbild vorliegen, erklärt Karl Poppeller, Vorstandsdirektor der Felbertauernstraßen AG. „Es ist die längste ununterbrochene Sperre in der Geschichte der Straße und ihre größte Katastrophe, auch in finanzieller Hinsicht.“ Die Sanierung soll zügig voranschreiten, um die Straße sobald wie möglich wieder für den Verkehr freigeben zu können, „wenn auch am Anfang nur einspurig“.
Ausweichmöglichkeiten
Die Felbertauernstraße ist die einzige Straßenverbindung zwischen Salzburg und Osttirol. Aufgrund der Ereignisse wurde der Passübergang über den Staller Sattel am Dienstagabend vorzeitig wieder geöffnet. Die Fahrt von Österreich nach Italien ist dann ganztägig zu jeder vollen Stunde jeweils für 15 Minuten möglich.
Pkw werden außerdem über die ÖBB-Tauernschleuse zwischen Böckstein und Mallnitz und durch das Südtiroler Pustertal umgeleitet. Lkw müssen großräumig über die Tauernautobahn A10 ausweichen. Auch eine Fahrt über die Großglockner Hochalpenstraße ist möglich, diese bietet längere Öffnungszeiten an. Poppeller: „Osttirol ist durch die Sperre der Felbertauernstraße nicht abgeschnitten.“ (func, tt.com, APA)