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Berlusconi droht lange Hafstrafe – In Rom liegen die Nerven blank

Geht es nach Staatsanwältin Ilda Boccassini, soll Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi für die Causa Ruby für sechs Jahre hinter Gitter. Spitzenvertretern von Berlusconis Partei PdL steht angesichts dessen der Schweiß auf der Stirn. Einmal mehr schießen sie scharf gegen die Justiz und werfen ihr politische Motivation vor.

Rom – Silvio Berlusconi hat‘s derzeit nicht leicht mit der Justiz. Vor einer Woche wurde er wegen Steuerbetrugs zweitinstanzlich zu vier Jahren Haft verurteilt. Nun will die Mailänder Staatsanwältin Ilda Boccassini den Mitte-rechts-Chef wegen Sex mit einer Minderjährigen für sechs Jahre hinter Gitter bringen. Wenig überraschend liegen nun in Rom die Nerven blank. Spitzenvertreter von Berlusconi Mitte-rechts-Partei „Volk der Freiheit“ (PdL) richteten scharfe Kritik an die Mailänder Justiz und beschuldigten sie, Berlusconi aus rein politischen Gründen zu verfolgen.

„Sollte Berlusconi zu der Haftstrafe verurteilt werden, die Boccassini verlangt, stünden wir in einer westlichen Demokratie vor dem ersten Fall eines Politikers, der nicht wegen Abwendung der Wähler, sondern wegen des Einsatzes von Richtern aus dem politischen System vertrieben wird“, sagte der Präsident der Justizkommission im Senat, Nitto Palma, in Anspielung auf die Forderung Boccassinis, Berlusconi lebenslang aus allen öffentlichen Ämtern auszuschließen. Niemand dürfe ignorieren, dass das angebliche Opfer im Prozess, die junge Marokkanerin Karima El Marough alias Ruby, wiederholt sexuelle Kontakte zu Berlusconi bestritten habe, sagte Palma, Ex-Justizminister in der Regierung Berlusconi im Jahr 2011.

Daniele Capezzone, Präsident der Finanzkommission der Abgeordnetenkammer, witterte einen “politischen Angriff” gegen den Mitte-rechts-Chef, der bei den letzten Parlamentswahlen zehn Millionen Stimmen erhalten habe.

Berlusconi-Vertraute: „Prozess basiert auf Vorurteilen“

Laut der Berlusconi-Vertrauten Daniela Santanché basiert der gesamte Ruby-Prozess auf „Vorurteilen“ gegen den Medienzaren und die junge Marokkanerin. „Boccassini behauptet, dass alle Frauen, die in Berlusconis Villa verkehrten, Prostituierte waren. Damit hat sie dann auch mich beleidigt. Ich war Dutzende Male in Arcore, denn Berlusconi ist mein Parteichef“, sagte Santanché.

Mit Berlusconi solidarisch erklärte sich auch die PdL-Landwirtschaftsministerin Nunzia De Girolamo. „Wir stehen vor einem vor den Medien ausgetragenen Prozess, mit dem man Italiens Politik destabilisieren will“, behauptete die PdL-Politikerin.

Solidarisch mit den Staatsanwälten hingegen erklärte sich der Fraktionschef der Mitte-links-Kraft Partito Democratico im Senat, Luigi Zanda. “Jeder muss das Justizsystem respektieren, vor allem diejenigen, die im Parlament sitzen”, mahnte Zanda. Er rief die Parlamentarier auf, sich um eine tiefgreifende Reform des Justizsystems zu bemühen. Italien leide zu stark unter den chronischen Problemen des Justizwesens.

Oberster Richterrat appelliert an Justizministerin

Unter dem Schwall der Kritik griff der Oberste Richterrat (CSM) zur Gegenwehr. Das CSM-Plenum verabschiedete am Mittwoch ein Dokument, in dem die Justizministerin Cancellieri aufgefordert wurde, dem Richterstand ihre Unterstützung zu bekunden. Die Richter baten um ein Treffen mit der Ministerin. „Cancellieri soll die Richter unterstützen. Alle Institutionen sollten der Justiz Respekt zollen“, hieß es im Dokument.

(tt.com/APA)