Innenpolitik

Vorbild New York? Polizei will raschen Zugriff auf Privatvideos

Um Verbrechen effektiver aufklären zu können, will das Innenministerium Zugriff auf alle im Datenverarbeitungsregister gemeldeten Überwachungskameras. Man wolle die Bevölkerung aber nicht zu „Spitzeln“ machen.

Innsbruck/Wien - Private Videoüberwachung, Smartphones und bald schon Googles Datenbrille: Immer einfacher und ausgereifter werden die Möglichkeiten den Alltag mitzufilmen. Und auch die Österreicher machen fleißig Gebrauch davon. So geht die ARGE Daten in ihren Schätzungen davon aus, dass hierzulande an rund 100.000 Orten bereits eine Million Überwachungskameras installiert sein sollen, rund 4000 sollen im Datenverarbeitungsregister (DVR) gemeldet sein.

Dagegen wirkt die Zahl der momentan durch die Polizei überwachten öffentlichen Plätze fast lächerlich. 18 sind dies österreichweit, dazu kommt bald die Möglichkeit auf Videomaterial der ÖBB zuzugreifen. Nachvollziehbar also, dass die Beamten künftig noch stärker auf das elektronische Auge der Bevölkerung setzen wollen, um Verbrechen aufzuklären. Dadurch drängt sich die Frage auf: Werden Bürger so zu „Spitzeln“ gemacht?

Mikl-Leitner betont Freiwilligkeit

Der Plan des Innenministeriums sieht vor, dass „die Interaktion zwischen Bevölkerung und Polizei“ bei der Ermittlungsarbeit verstärkt werden soll. Bürger sollen dazu aufgerufen werden, relevantes Videomaterial „freiwillig“ den Behörden zur Verfügung zu stellen. Und mit dieser „Freiwilligkeit“ verteidigt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ihren Vorstoß schon einmal präventiv gegen den zu erwartenden Aufschrei von Datenschützern.

Anders als in den USA, wo die Polizei bis zu 2000 Dollar für anonyme Informationen bezahlt, soll es dafür in Österreich keine Belohnung geben. „Nicht alles was für Amerika passt, passt auch 1:1 für Österreich“, meint Mikl-Leitner. „Wir wollen nicht, dass wir nur Hinweise erhalten, weil es eine Belohnung gibt.“ Man wolle auch nicht prophylaktisch Daten sammeln, sondern das Videomaterial allein zum Zweck der Aufklärung von Strafdaten nutzen. Auch eine polizeiliche Täterjagd über soziale Netzwerke, wie nach dem Boston-Anschlag, schließt die Innenministerin aus.

Vorbild New York?

Trotz Beteuerungen, ein eigenes Modell in Österreich einführen zu wollen, befindet sich Mikl-Leitner derzeit aber auf einer fünftägigen Reise, um sich die Methoden in den USA, Kanada und Großbritannien genauer anzusehen. Besonders am System der New Yorker Polizei hat sie offenbar Interesse. Im „Big Apple“ sind 6000 Überwachungsanlagen im Einsatz, 65 Prozent davon durch Privatpersonen installiert. Die Aufnahmen der Privatkameras werden direkt in das Zentralsystem des Police Department eingespeist. Via Joystick können die Polizeibeamten diese sogar schwenken und zoomen.

In dieser Intensität soll die Technik in Österreich nicht zum Einsatz kommen. Aber das Projekt des Innenministeriums zielt darauf ab, jene Kameras, die im Datenverarbeitungsregister gemeldet sind, nach dem Rasterprinzip durchkämmen zu dürfen. So könnte ein Betreiber einer möglicherweise relevanten Überwachungsanlage sehr rasch ausgeforscht und angesprochen werden. Derzeit gehen Polizisten noch von Tür zu Tür und suchen nach Kameras, die eine bestimmte Straftat gefilmt haben könnten.

Zweischneidiges Schwert

Für Datenschützer ist Videoüberwachung generell „ein Eingriff in die Privatsphäre“, sie stehen den Plänen deshalb erwartungsgemäß äußerst kritisch gegenüber. Es wird aber kaum Datenschützer geben, die sich dann aufregen, wenn ein Kapitalverbrechen durch die Bilder einer Privatkamera aufgeklärt wird. Das Thema bleibt ein zweischneidiges Schwert, der Grat zwischen effektiver Verbrechensbekämpfung und einer Entwicklung in Richtung Überwachungsstaat ist ein schmaler.

Mikl-Leitner betont, dass sie nichts davon halte, die Bevölkerung zu „Spitzeln“ zu machen. Dafür gebe man auch keinen Anreiz. Priorität bleibe die konventionelle Kriminalitätsprävention, erst im zweiten Schritt gehe es um die Ermittlungen - wenn möglich eben auch mit privaten Video-Aufnahmen. „Aber nicht alles, was technisch möglich ist, möchte ich in Österreich umgesetzt wissen“, meint die Innenministerin. (siha)