Barbara Balldini

„Verliebte müsste man in den Krankenstand schicken“

So viel Liebe. Als Kabarettistin klärt die gebürtige Tirolerin Barbara Balldini die Menschen über das Thema auf. Als Therapeutin hört sie ihnen zu.

Frau Balldini, Sie räuspern sich?

Barbara Balldini: Ja, meine Stimme ist sehr tief und gewöhnungsbedürftig. Irgendetwas stimmt mit den Stimmbändern nicht.

Die Stimme bereitet Ihnen auf der Bühne aber keine Schwierigkeiten.

Balldini: Im Gegenteil. Die Menschen lieben die tiefe Stimme. In der Schule hieß es: „Brummbär in der letzten Reihe, gib jetzt Ruhe!“ Später haben mich die Leute gefragt, ob ich ein umoperierter Mann bin. Jetzt ist die Stimme mein Markenzeichen.

Haben Sie sich einmal im Frühling verliebt?

Balldini: Ja. Ich habe mich am 2. April 1995 verliebt!

Erinnern Sie sich noch genau an den Tag?

Balldini: Natürlich. Wir haben uns bei einem Seminar getroffen. Rundherum standen alle Teilnehmer und in der Mitte er. Da dachte ich mir: „Oh mein Gott, jetzt wird es mich erwischen.“ So war es dann auch. Und jetzt sind wir schon 18 Jahre glücklich.

Und wer sich nicht im Frühling verliebt, macht in seiner Beziehung einen Frühjahrsputz.

Balldini: Die Geschichte mit dem Verliebtsein ist so eine Sache. Wenn Leute verliebt sind, schütten sie so viele Hormone aus, dass man sie eigentlich in den Krankenstand schicken sollte. Die Wirkung lässt aber nach drei Monaten nach, und nach zwei Jahren ist im Körper von diesem „Cocktail“ nichts mehr zu finden. Dann kommt ein anderes Hormon ins Spiel, das so genannte Bindungshormon. Aber die Liebe kann auch ganz zu Ende gehen. Wenn Menschen merken, dass die Liebe langsam schwächer wird, machen sie oft einen großen Fehler – sie kriegen Kinder. Das ist dann letztendlich der Killer einer Beziehung. Denn Kinder sollte man in einer stabilen Beziehung bekommen. Deshalb haben wir auch über 50 Prozent Scheidungen.

Sind Sie über die Scheidungsrate besorgt?

Balldini: Na ja, früher sind die Leute zusammengeblieben, weil sie weniger Möglichkeiten hatten. Fakt ist, dass der Mensch nicht wirklich monogam veranlagt ist. Wir leben heute wesentlich länger als früher und wir haben wesentlich mehr Auswahl, weil wir mehr herumkommen. Zudem haben wir Internet und Handy. Im Grunde kann man sich den Partner wie eine Pizza aussuchen: die Größe, die Augenfarbe, die Entfernung und das Alter. Dann spuckt der Computer 20 Ergebnisse aus. So eine Auswahl gab es vor dreißig Jahren nicht. Hätten die Menschen früher unsere Möglichkeiten gehabt, hätten sie diese genutzt. Der Mensch ist ein Rudeltier. Wir wollen von vielen Menschen geliebt werden. Diese Tatsachen sind nicht besorgniserregend. Sie sind, wie sie sind!

Sie sind mit Ihrem Programm „Von Liebe, Sex und anderen Irrtümern“ sieben Jahre unterwegs. Ist da noch ein Satz auf dem anderen?

Balldini: Nein. Das Programm ändert sich ständig. A, weil mir plötzlich auf der Bühne etwas einfällt. B, weil ich Passagen ersetze, die veraltet sind.

Was haben Sie in dieser Zeit über Beziehungen gelernt?

Balldini: Viel. Das Unterwegssein hat sich auf meine Beziehung ausgewirkt. Kein Stein ist mehr auf dem anderen geblieben. Plötzlich hatte ich Erfolg und war nicht mehr viel zu Hause. Wir mussten uns neu finden und neu definieren. Wir haben uns auch getrennt. Trotzdem haben wir erkannt, dass wir zusammengehören.

Haben Sie überhaupt noch Zeit für die Praxis?

Balldini: Ja, ich betreue sie neuerdings telefonisch.

Das heißt?

Balldini: Ich bin viel unterwegs, aber untertags wird mir langweilig. Also vergebe ich Telefontermine. Bislang haben mir alle Klienten das Honorar überwiesen. Ich bin jetzt eine mobile telefonische Sexberaterin geworden. Das läuft gut.

In Ihrem Vortragskabarett ist von Irrtümern die Rede. Was ist der größte Irrtum in der Liebe?

Balldini: Zu glauben, dass mich der Partner glücklich machen muss. Der größte Irrtum im Bett ist, zu glauben, dass es zu einem Orgasmus kommen muss. Frauen suchen das Gefühl, dass der Mann im Bett sie persönlich „meint“, wenn er mit ihr schläft. Nicht nur, weil er erregt ist. Aber da kommt uns die Pornografie dazwischen. Und die wird immer präsenter.

Kann man sich von der Pornografie befreien?

Balldini: Nein. Davon kann man sich nicht mehr befreien. Sie hat die Haushalte erobert. 9 von 10 Menschen haben schon mal einen Film im Netz angesehen.

Welchen Befund stellen Sie Österreichs Schlafzimmern aus?

Balldini: Für Paare wird das Zusammenleben immer schwieriger. Und es gibt immer weniger Sex. Wir sind mit Bildern und Next-Top-Model-Shows angefüllt. Die Folge ist, dass sich Menschen in ihrer Haut nicht mehr wohl fühlen. Sie finden nicht zu sich selbst und suchen ihr Heil im Äußeren. Das Du, die Fragen: „Wer bist du? Was macht dich aus? Was finde ich an dir reizvoll?“ verschwinden. Wir sind im Sex entpersonifiziert. Jeder ist mit sich beschäftigt.

Bereits Zwölfjährige reichen sich am Handy Pornos weiter. Was sagt man zu ihnen?

Balldini: Man muss etwas zu den Eltern sagen. Zwölfjährige Burschen haben die schrecklichsten Pornos am Handy. Eltern müssen die Handys ihrer Kinder im Auge haben und mit den Kindern reden. Man kann Jugendlichen nicht das Handy abnehmen. Aber sie müssen wissen, dass diese Pornos nicht der Wirklichkeit entsprechen. Eltern müssen ihnen erklären: Das ist nicht die Realität, das ist nicht Sex, wie man ihn praktiziert. Das, was ihr hier seht, wollen Frauen nicht. Schaut es euch an, damit ihr wisst, wie es nicht sein sollte!

Reden Sie mit Ihren erwachsenen Töchtern oft über Beziehungen?

Balldini: Beziehungen muss man vorleben. Alle drei Kinder sind darüber froh, dass bei uns nie ein respektloses Wort fällt. Wir sagen nicht ’Halt die Klappe’, wir werfen keine Türen zu, wir bestrafen nicht durch Schweigen. Ich sage ja, dass man Kinder nicht erziehen kann. Sie machen ohnehin alles nach. Mein erster und mein zweiter Mann sind hier ein gutes Vorbild. Meine Kinder sagen, dass unser Umgang mit Konflikten von Wertschätzung zeugt.

Planen Sie ein neues Programm?

Balldini: Natürlich. Mein drittes Programm „Balldini kommt“ wird am 5. Febru­- ar 2014, zu meinem 50. Geburtstag, Premiere haben.

Schreiben Sie auch wieder ein Buch?

Balldini: Ja, zwei sogar. Unter anderem möchte ich über die „Kunst der liebevollen Trennung“ schrei­­ben. Wir trennen uns ständig von irgendetwas und irgendjemanden, können aber nicht mit dem Loslassen umgehen und leiden darunter. Trennen und Loslassen muss man jetzt schon üben, sonst wird es am Ende schwer.