US-Spion enttarnt

Moskau führt enttarnten US-Agenten als Trophäe vor

Ein in Moskau aufgeflogener US-Spion ist für Kremlchef Putin der lebende Beweis dafür, dass die Amerikaner Russland mit Agenten infiltrieren. Der Fall soll den Russen wohl zeigen, dass den USA nicht zu trauen ist.

Moskau – Wie eine Trophäe präsentieren russische Medien den US-Spion Ryan Fogle, der in der Nacht auf Dienstag in einem Moskauer Park enttarnt wurde. Genüsslich breiten sie aus, wie der junge Diplomat offenbar unter Einsatz von zwei Perücken und mit 500-Euro-Scheinen versucht haben soll, russische Geheimdienstler auf seine Seite zu ziehen. Für die USA kommt der Moskauer Agentenkrimi zur Unzeit, weil die Beziehungen zu Russland als so schlecht gelten wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Die Russen nutzen den Fall, um den „Weltpolizisten“ USA öffentlich bloßzustellen.

„Der Erfolg unserer Spionageabwehr ist offensichtlich. Und dass dies eine Niederlage der Amerikaner ist, zeigt sich ebenfalls absolut klar“, jubelt der frühere Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, Nikolai Kowaljow. Allerdings räumt er auch ein, dass die Amerikaner im Grunde nur das tun, was jeder tut. Der Versuch, sich gegenseitig die Agenten abzuwerben, sei Routine.

So gilt es auch als übliche Praxis, dass Geheimdienstleute oft undercover in Botschaften arbeiten, weil der Status als Diplomat sie schützt. Deshalb wird Fogle nun Russland auch nur schleunigst verlassen müssen; Gefängnis muss er nicht fürchten.

Dass der mutmaßliche Mitarbeiter der CIA aber ausgerechnet jetzt medienwirksam vor laufenden Kameras des Staatsfernsehens enttarnt wird, ist aus Sicht russischer Experten kein Zufall. Präsident Wladimir Putin, einst selbst FSB-Chef, sieht sein Land längst von westlichen Agenten infiltriert. Nicht zuletzt wegen der überall vermuteten westlichen Spione lässt Putin seit Wochen auch Nichtregierungsorganisationen mit Razzien überziehen.

Fogle auf den Spuren der mutmaßlichen Boston-Attentäter

Die russischen Fahnder fassten Fogle in der Nacht auf den 14. Mai in einem Moskauer Park in flagranti, als er einem FSB-Mitarbeiter Instruktionen und 100.000 Dollar als Vorschuss übergeben will. Mit dabei hat er nach offiziellen Angaben auch ein Schreiben mit der Anrede „Lieber Freund“.

Das Ziel des US-Agenten: Informationen aus erster Hand über Umtriebe von Terroristen im russischen Konfliktgebiet Nordkaukasus - und dort besonders die islamisch geprägte Teilrepublik Dagestan. Der Grund für den Spionageeinsatz: Der Terroranschlag auf den Marathon in Boston im April.

Die tatverdächtigen Brüder Tamerlan und Dzhokhar Tsarnaev haben ihre Wurzeln im Nordkaukasus, ihre Eltern leben in Dagestan. Vor allem deshalb reist Fogle einem Bericht der Moskauer Zeitung Kommersant zufolge in jene Unruheregion, trifft die Eltern und lernt die zuständigen russischen Geheimdienstler dort kennen.

Putin will Ansehen der Geheimdienste verbessern

Dass es bei diesem Agentenstück darum gehen könnte, mögliche weitere Terrorgefahren von den USA abzuwenden, kommt bei den meisten Russen allerdings kaum an. Die öffentliche Enttarnung von Fogle solle vielmehr zeigen, dass Russland die USA unter Kontrolle habe, meint der Politologe Dmitri Trenin vom Carnegie Center in Moskau. Außerdem nutze Putin den Fall, um das Ansehen der russischen Geheimdienste in der Bevölkerung zu verbessern.

Dazu passt, dass das russische Außenministerium den USA „provokative Handlungen“ wie im Kalten Krieg vorwirft. Der Kreml warnt zudem, dass der Fall nicht zur Vertrauensbildung beitrage. (dpa)