Herrenzimmer lassen grüßen
Ein neuer Trend macht sich breit – die Wände werden zusehends in immer dunkleren Tönen gestrichen, was den Höhlencharakter eines Raumes betont, aber letztlich mit viel Fingerspitzengefühl eingesetzt werden sollte.
Von Ursula Philadelphy
Dem reinen, klaren Weiß wird inzwischen allerorten der Kampf angesagt. War es vor einigen Jahren noch das Nonplusultra, alle Wände einfach weiß zu streichen und so den Bildern und Accessoires den vermeintlich ultimativen Background zu geben, wird es nun dunkel und farbig. Dazwischen lagen maximal Ockervariationen, die ob ihres weichen und warmen Farbtones geschätzt sind.
Nun also der Ruf nach dunklen Wänden. Englische Herrenzimmer und renommierte Museen machen es vor, hängen die alten Meister auf burgunderroten oder tannengrünen Grund, lieben dunkles Blau oder düstere Grauschattierungen. Letztere sind übrigens eine Referenz an den Sichtbeton. Wer nicht neu gebaut hat und auf Sichtbeton setzen kann, diese Farb- und Materialqualität aber schätzt, kann zumindest, was die Farbe betrifft, aufholen. Wer auch die Materialität und die Struktur von Sichtbeton imitieren will, muss zu Tapeten wechseln, denn in diesem Bereich gibt es bereits, quasi als Nachfolger der Fototapeten früherer Jahrzehnte, Tapeten, die tatsächlich fast wie echter Sichtbeton rüberkommen.
Wenn man nun also seine Räume umgestalten will und an dunkle Wände denkt, sollte man unbedingt vorher ein umfassendes Farbkonzept erstellen und dann, vor dem ersten Pinselstrich, ein paar technische Details berücksichtigen.
Denn dunkle Farben verzeihen mangelhafte Verarbeitung weniger gut als simples Weiß. Wenn man bei der Einrichtung viel Holz hat, bieten sich außerdem gewisse Farbkombinationen ganz besonders an. So funktioniert Eiche sehr gut mit Taubengrau, unterstreicht Marineblau schön den Farbton von Kirschenholz und wirkt Birke besonders schön mit Anthrazit.
Aber auch Mauvetöne funktionieren gut zu Holz, ebenso wie Petrol oder dunkles Türkis. Allerdings bedarf es da schon einer satten Prise Mut, denn bei diesen doch eher bunten Farben ist die Kombination mit bunten Alltagsaccessoires ein Wagnis; man muss das einfach ausprobieren und notfalls eine Wand neu streichen.
Dunkle Farben sollte man übrigens immer vor dem Streichen extra gut umrühren, denn die Farbpigmente setzen sich unten ab und dann wird das Ergebnis nicht sonderlich einheitlich. Matte Farben mit vielen Pigmenten haben außerdem noch den Nachteil, dass sie sehr empfindlich sind und alle Berührungsspuren als „Tapper“ erhalten bleiben – auch nicht jedermanns Sache. Fachleute empfehlen daher, eher zu seidenmatten Farbvarianten zu greifen, die wesentlich strapazfähiger und in vielen Fällen sogar abwischbar sind. Ein guter Tipp auch für das Kinderzimmer.
Bei dunklen Farben sollte man auch immer einkalkulieren, wie das Licht in den Raum einfällt, denn im blödesten Fall, wenn man so locker vom Hocker weg wie mit einer weißen Farbschattierung quasi drübergepinselt hat, wird man später jeden Pinsel- oder Rollenansatz sehen. Es empfiehlt sich daher, erstens sehr genau zu rollen – zuerst senkrecht und dann, ohne Druck, auch noch waagrecht darüberarbeiten. Außerdem muss man unbedingt zwei- bis dreimal darüberrollen oder streichen, ganz egal, auf welchem Untergrund man arbeitet, denn die Deckkraft der dunklen Farbpigmente ist nicht so gut wie von Weiß.
Womit das Thema Untergrund angerissen wäre. Auch darauf muss man achten, denn je nach Qualität und Haptik sollte man die passende Rolle verwenden. Bei glattem Untergrund funktioniert es gut mit einer kurzflorigen Walze, bei stark strukturiertem Untergrund sollte man eine Walze mit längerem Flor verwenden.
Wenn man nicht einen ganzen Raum in einer dunklen Farbe streichen will, kann man sich auch auf eine Wand reduzieren – oder im ersten Versuch mit einer Wand beginnen. Bei langen Räumen wird der Raum optisch verkürzt, wenn man die Stirnwand dunkel streicht. Um einen Raum nach oben hin offener zu gestalten, kann man auf den Stuckeffekt setzen und den Plafond sowie oben einen breiten Rand weiß streichen.
Prinzipiell bringen dunkle Wände sowohl Kontrastfarben bei Möbeln hervorragend zur Geltung, aber auch Grünpflanzen wirken noch intensiver grün, wenn sie zum Beispiel vor einer dunkelgrauen Wand stehen. Auch Schwarz-Weiß-Fotos wirken auf einer dunklen Wand enorm intensiv und sehr cool und weiße Passepartouts bekommen durch eine dunkle Wand einen noch extremeren Rahmeneffekt.