BAWAG-Prozess zu Ende: Elsner empört über Flöttl-Freispruch
Flöttl und Co. können aufatmen: Im BAWAG-Prozess sind nun alle Freisprüche rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft ihre Berufung zurückgezogen hat. Damit ist der seit 2007 laufende Prozess zu Ende. Ex-Bankchef Elsner, er musste als einziger der Angeklagten bisher in Haft, reagierte empört: „Flöttl hat nicht spekuliert, sondern gestohlen.“
Wien - Der BAWAG-Strafprozess ist nach fast sechs Jahren zu Ende. Die Urteile im zweiten Verfahren wurden rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft auf die Berufung gegen die Freisprüche von Richter Christian Böhm verzichtet hat. Dies teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien am Mittwochnachmittag mit. Damit bleibt der Spekulant Wolfgang Flöttl unbescholten, während Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner die Höchststrafe von zehn Jahren bekam, von denen er viereinhalb Jahre abgesessen hat.
Rechtskräftig sind nun auch die Freisprüche für die Ex-Vorstände Hubert Kreuch, Josef Schwarzecker und den Wirtschaftsprüfer Robert Reiter. Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger erhielt ein Monat bedingt, die Strafe hat er nicht bekämpft, da er ja ein Geständnis über die Bilanzdelikte ablegte, so sein Anwalt Richard Soyer.
Schon im ersten Verfahren hatte Ex-BAWAG-Chef Johann Zwettler fünf Jahre Haft erhalten, er ist aber aus gesundheitlichen Gründen haftunfähig und war auch keinen Tag im Gefängnis. Ex-BAWAG-Generalsekretär Peter Nakowitz erhielt drei Jahre unbedingt. Auch Nakowitz war bisher nicht im Gefängnis, er strebt eine Wiederaufnahme des Verfahrens und einen Haftaufschub an. Damit hat bisher nur Elsner das Haftübel verspürt. Derzeit ist er aus Gesundheitsgründen haftunfähig.
Elsner empört: Flöttl hat nicht spekuliert, sondern gestohlen
Der frühere BAWAG-Chef Elsner zeigte sich am Abend empört über den nun rechtskräftigen Freispruch für Flöttl. Dieser hätte nicht wegen Beihilfe an der Untreue, sondern wegen Betrugs und Diebstahls angeklagt werden müssen, findet Elsner: „Er hat ja nicht spekuliert, er hat gestohlen.“
Elsners Ehefrau sprach angesichts des Flöttl-Freispruchs von einer „Skurrilität der Justiz“. „Man will der Frage, wo die 1,4 Mrd. Euro geblieben sind einfach nicht nachgehen“, sagte Ruth Elsner. Die heimische Justiz wolle den Fall einfach nicht klären. Der Freispruch sei letztlich ein „Aufruf an Investmentbanker, betrügts eure Investoren, ihr werdet freigesprochen und die Investoren kommen hinter Gitter“. Enttäuscht von der österreichischen Justiz versuchten sie und ihr Mann es nun in den USA. Die dort eingebrachte Klage werde hoffentlich Aufklärung bringen.
Hingegen sieht Flöttls Anwalt Herbert Eichenseder nun die Unschuld seines Mandanten endgültig bestätigt.
Viele Fragen bleiben ungeklärt
Das riesige Wirtschaftsstrafverfahren beschäftigte von Juli 2007 bis heute die heimische Justiz. Trotz fast sechs Jahren Verfahrensdauer wurden viele Fragen nicht geklärt. Elsner behauptet bis heute, dass Flöttl das verspekulierte BAWAG-Geld in Wahrheit gar nicht verloren habe. Flöttl verwies im Prozess auf einen Computercrash, durch den seine Buchhaltungsunterlagen zerstört worden seien.
Der Investmentbanker hatte mit der gewerkschaftseigenen BAWAG, wo sein Vater Generaldirektor war, jahrelang riskante Spekulationsgeschäfte gemacht und nach dessen Abgang in engem Kontakt mit Elsner diese „Karibik-Geschäfte“ weitergeführt. Nach mehreren riesigen Verlusten ab Herbst 1998 wurden schließlich die Geschäfte gestoppt, nach außen drang nichts vom Debakel. Die Bankführung vertuschte die Verluste nach außen, nach innen versuchte eine „Bilanzrunde“ die Löcher zu stopfen. Erst mit dem Konkurs des BAWAG-Geschäftspartners Refco im Jahr 2005 flog der Skandal auf, die Mühlen der österreichischen Justiz begannen zu mahlen. Der Skandal kostete dem ÖGB seine Bank, die an den Hedgefonds Cerberus verkauft werden musste.
Elsner als „autoritärer Tyrann“
Flöttl präsentierte von Anfang an Elsner als einzig Schuldigen an der Misere. Unterstützt wurde er von den meisten übrigen Angeklagten, die Elsner als autoritären Tyrannen darstellten. Anders die Darstellung Elsners: Der Totalverlust, den Flöttl gleich mehrmals mit den BAWAG-Millionen baute, wird von Elsner bis heute bestritten. Stattdessen habe sich Flöttl das Geld eingesteckt, behauptet der Ex-Bankchef.
Als „Bedienungsanleitung“ für künftige Bankskandale bezeichnete Elsners Verteidiger Andreas Stranzinger bei der Urteilsverkündung im zweiten Verfahren die Begründung der Freisprüche. Das Gericht habe es sich leicht gemacht und nicht nach dem Verbleib des Geldes geforscht. Hingegen sieht Flöttls Verteidiger Herbert Eichenseder das Urteil einfach so gut begründet, dass die Staatsanwaltschaft freiwillig auf ein Rechtsmittel verzichtete.
„Auf und Ab“ für Bandion-Ortner
Der erste BAWAG-Prozess war auch Anstoß für eine politische Karriere von Richterin Claudia Bandion-Ortner, die nach der Urteilsausfertigung für die ÖVP das Justizministerium übernahm. Als ihr Urteil wegen Mängeln großteils gekippt wurde, hielt sich auch die Ministerin nicht mehr allzulange im Amt. (APA, TT.com)
Vier Verurteilungen, fünf Freisprüche Helmut Elsner - Ex-BAWAG-Generaldirektor: Rechtskräftig im ersten Prozess zu zehn Jahren Haft verurteilt, davon viereinhalb Jahre (inklusive U-Haft) im Gefängnis. Derzeit aus gesundheitlichen Gründen haftunfähig. Im zweiten Prozess wegen einer Subsidiarklage der BAWAG angeklagt. Da er nie vor Gericht erschienen ist, wurde dieses Verfahren gegen ihn ausgeschieden, um es gesondert zu führen. Elsner kann allerdings nicht mehr zu einer Strafe verurteilt werden, da er bereits die Höchststrafe für Untreue bekommen hat.
Johann Zwettler - Ex-BAWAG-Generaldirektor: Rechtskräftig im ersten Prozess zu fünf Jahren Haft verurteilt. Im zweiten Prozess nicht angeklagt. Zwettler ist aus gesundheitlichen Gründen haftunfähig und war bisher keinen Tag im Gefängnis.
Peter Nakowitz - Ex-BAWAG-Generalsekretär von Elsner, später Vorstand: Im ersten Prozess zu vier Jahren Haft verurteilt, der OGH hat die Strafzumessung aufgehoben, im zweiten Verfahren wurde zu Prozessbeginn die Strafe auf drei Jahre, davon ein Jahr unbedingt, reduziert. Von zusätzlichen Vorwürfen wurde er im zweiten Prozess freigesprochen. Das Oberlandesgericht Wien verschärfte heuer im April die Haftstrafe auf drei Jahre unbedingt, das Urteil ist rechtskräftig. In der Causa Gerharter wurde Nakowitz zu 15 Monaten bedingt verurteilt.
Günter Weninger - Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsident und ÖGB-Finanzreferent: Im ersten Prozess zu zweieinhalb Jahren Haft, davon sechs Monate bedingt, verurteilt. Vom OGH zur Gänze gekippt. Im zweiten Prozess wurde er zu einem Monat bedingt für Bilanzdelikte beim ÖGB verurteilt, was er auch nicht bekämpft hat. Bezüglich der Untreuevorwürfe wurde er zur Gänze freigesprochen.
Wolfgang Flöttl - Investmentbanker - Im ersten Prozess zu zweieinhalb Jahren Haft, davon zehn Monate unbedingt, verurteilt. Vom OGH zur Gänze gekippt. Im zweiten Prozess freigesprochen.
Hubert Kreuch - Ex-BAWAG-Vorstand - Im ersten Prozess zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Vom OGH zur Gänze gekippt. Im zweiten Prozess freigesprochen.
Josef Schwarzecker - Ex-BAWAG-Vorstand - Im ersten Prozess zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Urteil vom OGH zur Gänze gekippt. Im zweiten Prozess freigesprochen.
Christian Büttner - Ex-BAWAG-Vorstand - Im ersten Prozess zu eineinhalb Jahren bedingter Haft und 36.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Vom OGH zur Gänze gekippt. Im zweiten Prozess freigesprochen.
Robert Reiter - Ex-BAWAG-Wirtschaftsprüfer - Im ersten Prozess zu drei Jahren Haft, davon ein Jahr unbedingt, verurteilt. Vom OGH zur Gänze gekippt. Im zweiten Prozess freigesprochen.