„Nicht an Kunden abputzen“
Nach dem Fabriksdrama in Bangladesch stehen viele Textilkonzerne am Pranger. Nachhaltigkeits- expertin Claudia Sprinz kritisiert, dass Firmen ihre Verantwortung auf Konsumenten abwälzen.
Dhaka –Was kommt nach der Katastrophe von Bangladesch? Drei Wochen nach dem Einsturz eines Fabrikgebäudes ist in der Vorwoche ein Abkommen von mehr als 30 Handelskonzernen für mehr Sicherheit in den Textilfabriken des Landes in Kraft getreten. Viele Konzerne gelobten Besserung. Für die Konsumenten stellt sich die Frage, wie und ob sie auf die Produktionsbedingungen in der Modeindustrie reagieren können und sollen.
„Die Unternehmen können sich nicht nur an den Konsumenten abputzen“, meint Claudia Sprinz. Sie ist Konsumenten-Sprecherin von Greenpeace und setzt sich mit der Webseite marktcheck.at für nachhaltigen Konsum ein. Dass jeder Einzelne durch sein Einkaufsverhalten die Verantwortung dafür trage, dass Katastrophen wie jene in Bangladesch möglich sind, hält sie für eine „Ausrede“ der Textilkonzerne. Allerdings räumt sie ein, dass man die Kunden nicht ganz aus der Verantwortung entlassen könne. „Wichtig ist, dass sich die Menschen die Frage nach dem Bedarf stellen: Brauche ich wirklich das 95. T-Shirt, das meinen Kleiderschrank sprengt?“
Im Schnitt kaufe jeder Österreicher pro Jahr 70 bis 85 neue Modeteile. „Bei Lebensmitteln sind alle sensibilisiert. Hier wird auf Regionalität und Mengen geschaut. Bei der Kleidung gibt es hingegen oft einen Wettbewerb, wer am meisten schicke Teile besitzt“, so Sprinz. Vor allem junge Leute müssten Mode- und Umweltbewusstsein besser unter einen Hut bringen. „Wenn das T-Shirt nur 2 Euro kostet, dann muss klar sein, dass jemand dafür die Rechnung zahlt. Das verdrängen viele.“
Allerdings verweist Sprinz darauf, dass es auch bei hochpreisigen Labels Schwierigkeiten bei den Arbeitsbedingungen geben kann. Viele würden nach wie vor gefährliche Chemikalien verwenden. Auch bei der Produktion von Jeans, die gebraucht aussehen, wird mancherorts noch immer auf die gesundheitsgefährdende Sandstrahl-Technik gesetzt.
In Bangladesch laufen die Nähmaschinen inzwischen wieder auf Hochtouren. Am Freitag sind Tausende Textilarbeiter in ihre Fabriken rund um die Hauptstadt Dhaka zurückgekehrt. Die Textilunternehmer hatten vergangenen Montag wegen Streiks und Unruhen nach dem Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes mit 1127 Toten beschlossen, etwa 300 Fabriken im Industriegebiet Ashulia auf unbestimmte Zeit zu schließen. Da die Regierung die Sicherheit in den Firmen garantierte, hätten sich die Besitzer zur Wiedereröffnung entschlossen, teilte der Verband der Textilhersteller mit. Am Montag kamen es bei neuerlichen Protesten von Textilarbeitern zu Ausschreitungen. Die Regierung hat nun ein einmonatiges Verbot für Demos erlassen und dies mit Hilfseinsätzen nach dem jüngsten Zyklon begründet. (wer, dpa)