Zwischen Grübelei und Hochgefühl
Die private Seilschaft Anna Stöhr und Kilian Fischhuber startet heute beim Boulder-Weltcup in Innsbruck das Projekt Titelverteidigung unter verkehrten Vorzeichen. Die Gelassenheit eint das Kletter-Traumpaar.
Von Max Ischia
Innsbruck –Kilian Fischhuber könnte dieser Tage – überspitzt formuliert – Rotz und Wasser heulen. Was nichts mit seinen jüngsten Rückschlägen im Weltcup zu tun hat, sondern ausschließlich in einer Pollenallergie begründet ist. Weil der Wahl-Innsbrucker aus Waidhofen an der Ybbs (NÖ) in der heutigen Qualifikation (ab 10 Uhr) am Innsbrucker Marktplatz das Projekt Titelverteidigung in Angriff nimmt, hustet er kurzerhand auf seinen Heuschnupfen und hat sich nicht mehr und nicht weniger als den Finaleinzug zum Ziel genommen. „Ich spreche sicher nicht vom Sieg und auch nicht vom Podium. Angesichts der Dichte wäre das unseriös“, bremst der 29-Jährige überhöhte Erwartungen. Zu den aussichtsreichsten Mitstreitern zählt zweifelsohne sein Innsbrucker Teamkollege Jakob Schubert: Der amtierende Vorstieg-Weltmeister liegt im Boulder-Weltcup derzeit auf Rang zwei.
Dass Fischhuber angesichts der missglückten Qualifikation vor einem Monat in Kitzbühel und des Halbfinal-Aus zuletzt in Slowenien ins Grübeln geraten ist, will er nicht abstreiten. „Aber“, führt der fünffache Gesamtweltcup-Sieger aus, „man muss diese beiden Weltcups getrennt voneinander bewerten. In Kitzbühel konnte ich einen Boulder nicht lösen, in Slowenien habe ich mich im Halbfinale körperlich schwach gefühlt. Ich weiß aber, dass ich die Form habe, um ganz vorne mitzumischen.“
Bei Lebensgefährtin Anna Stöhr stellen sich derlei Fragen erst gar nicht. Nach vier Erfolgen in ebenso vielen Weltcups könnte Tirols Boulder-Queen am Samstag die historische Marke von fünf Weltcup-Triumphen in Folge fixieren. „Daran denke ich erst gar nicht“, schließt Anna von außen geschürte Gedanken eines Selbstläufers kategorisch aus, wenngleich selbst Fischhuber klarstellt: „Anna klettert derzeit eine Stufe über der Konkurrenz.“
Den gestrigen Vorbereitungstag ordneten die beiden Sport- und Englisch-Studenten unisono in die Kategorie „völlig unspektakulär“ ein. Während Fischhuber ein wenig an seiner Diplomarbeit („Risiko im Klettersport“) herumdokterte, absolvierte Stöhr an der Uni ein Seminar.
Mit trauter Zweisamkeit in ihrer Innsbrucker Dreizimmerwohnung war es jedenfalls nicht weit her. Erst kam der Tischler, dann japanische Gäste. „Zwei Kletterfreunde, die bei uns während der Weltcup-Tage wohnen.“ Und weil die beiden Hobbyköche ihrem Besuch die heimische Kulinarik schmackhaft machen, gab es abends selbst gemachten Apfelstrudel.
Wie es der Zufall will, tischen Anna und Kilian zum Frühstück nicht selten (japanische) Misosuppe auf. „Heute wird’s aber wohl Müsli und Brot werden.“ Ehe es dann – wie im Vorjahr – mit dem Fahrrad Richtung Weltcup-Gelände am Marktplatz geht. Ob dabei auch ein Fünkchen Aberglaube mitstrample? Fischhuber, milde lächelnd: „Nein, das hilft dir in der Wand nicht weiter.“