Felssturz Felbertauern: Erste Sprengung höchst erfolgreich
Heute um 14:15 Uhr wurden unter extremen Bedingungen Tausende Kubikmeter Gestein künstlich zum Absturz gebracht. Der nächste Knall soll wetterbedingt erst am Sonntag ertönen.
Von Claudia Funder
Matrei i. O. – Es regnete seit den Morgenstunden in Matrei. Windböen kamen auf. Alles andere als gute Voraussetzungen für die erste Sprengung, die nach dem massiven Felssturz an der Südseite des Felbertauerns schließlich doch noch erfolgreich über die Bühne gehen konnte.
Neun Mann, davon acht Profis einer Imster Spezialfirma, waren seit Tagesbeginn vor Ort und bereiteten, gesichert mit Seilen, alles für die erste Explosion vor. Unter extremen Bedingungen.
35.000 m³ Gestein waren am Dienstag im Zuge der Naturkatastrophe in die Tiefe gedonnert. 10.000 m³ Massen befanden sich noch sehr labil im oberen Abbruchbereich, schätzte Geologe Franz Riepler. Die Vorbereitungen waren riskant, denn es handelte sich um große Felsblöcke, die massive Klüfte aufwiesen und jederzeit abfahren konnten.
Die ersten 15 Bohrlöcher wurden vom Spezialtrupp bereits vormittags gesetzt, erklärte der Technische Leiter der Felbertauernstraße AG, Michael Köll vor der Sprengung: „Zum Einsatz kommen zehn Kilo Sprengstoff.“
Mit der ersten Sprengung wolle man die Felsformation kennenlernen, denn vieles sei noch ungewiss. Mehrere Durchgänge sind nötig, gegebenenfalls auch Ankerungsmaßnahmen, bevor der Bereich geräumt werden kann.
Zeitpunkt für Sprengung war höchst ungewiss
Ob tatsächlich der Startschuss für die erste Sprengung fallen kann, war noch kurz zuvor unklar. Starkregen hätte das Vorhaben verzögern können, es gab eine Niederschlagswarnung für Osttirol. „Alle sind sensibilisiert, aber wir sollten uns um Ruhe bemühen“, erklärte Bezirkshauptfrau Olga Reisner am Vormittag.
Windböen und Regen schienen das Vorhaben scheitern zu lassen. Doch am frühen Nachmittag wurde die Sprengung eingeleitet. Erfolgreich: Erste Tausende Kubikmeter Gestein donnerten nach der Explosion talwärts. Der Geologe war bereits zur Begutachtung des Ergebnisses vor Ort.
Aufgrund des Schlechtwetters werden die nächsten Vorbereitungen vermutlich erst am Samstag getroffen. Die Sprengung könnte dann am Sonntag erfolgen.
Ereignis war nicht zu verhindern
Die Abschätzung der zeitlichen Dimension sei derzeit immer noch unmöglich, was die Dauer der Straßensperre betreffe, erklärt Karl Poppeller, Vorstandsdirektor der Felbertauernstraße AG. Es habe viele Anfragen gegeben, ob die Lawinengalerie nicht sicherer gebaut werden hätte können, ob das Ereignis vorhersehbar war. Poppeller: „Die Galerie wurde gegen Lawinen und leichten Steinschlag errichtet. Es ist denkunmöglich, die Straße vor solchen Ereignissen wie den großen Felssturz zu schützen.“
Der Bereich liege, so Bürgermeister Andreas Köll, in einer Zone, der zu den labilsten Steinformationen im Alpenraum zählt. Das abgebrochene Material sei Gneis. Das Ereignis könnte in der nördlichen Region Osttirols aufgrund der geologischen Basis überall und jederzeit passieren. Man sei im gesamten Bereich in einer „Unvorhersehbarkeit“, absolute Sicherheit sei unrealistisch. Köll: „Wir müssten Osttirol in den oberen Lagen komplett zusperren.“
Viele sind von Sperre betroffen
Die Felbetauernstraße AG hat keine Versicherung für die finanziellen Ausfälle. „Den Schaden müssen wir selbst tragen“, erklärt Poppeller. Nicht nur Straße und Galerie müssen erneuert werden, auch der Verlust der Mauteinnahmen schmerzt. „Allein über das Pfingstwochenende des Vorjahres zählten wir 30.500 Frequenzen“, so Poppeller. Einnahmen werden noch länger keine fließen. Poppeller: „Die Sache gestaltet sich um einiges schwieriger, als man in den ersten Stunden gemeint haben könnte. Die Zeitdimension ist noch völlig unklar.“
Ein Hindernis ist die Sperre nicht nur für Urlauber, täglich betroffen sind vor allem zahlreiche Pendler. Bürgermeister Köll: „Es gibt Hunderte Osttiroler Auspendler, die derzeit Umwege von 2 bis 3 Stunden auf sich nehmen müssen.“
Alternative für rüstige Osttiroler
Nun überlegt man eine Variante, die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, aber für so manchen Osttiroler durchaus praktisch sein könnte. Köll zu der Idee, die man verfolgen könnte: „Wir überlegen, Pendler per Bus bis zum Tauernhaus in Matrei zu führen. Von dort müssten sie über einen Fußweg zum sicheren Teil der Felbertauernstraße gehen, um weiter nach Mittersill oder Kitzbühel zu gelangen.“
Dieser Marsch von Bus zu Bus würde rund 15 Minuten dauern sich über 85 Höhenmeter erstrecken und wäre mit Sicherheit nur eine Alternative für rüstige Osttiroler. Diese könnten sich allerdings viel Zeit ersparten. Der außergewöhnliche Vorschlag kam übrigens aus Prägraten.
All diese Überlegungen lassen vermuten, dass die Sperre noch viele Wochen dauern wird, auch wenn derzeit niemand wirklich Auskunft geben kann oder will.