„Weit weg vom geklonten Menschen“
Die geklonten embryonalen Stammzellen in den USA sind höchstens ein Schritt Richtung Menschenkopie, sagt der Grazer Experte Speicher. Problematisch sei das Verfahren aber wegen der benötigten Eizellen.
Von Elke Ruß
Portland, Graz –Am Mittwoch meldeten Forscher um Shoukhrat Mitalipov von der Oregon Health & Science University in Portland einen Durchbruch bei der künstlichen Herstellung menschlicher embryonaler Stammzellen: Dafür waren Zellkerne aus Hautzellen von Erwachsenen in entkernte weibliche Eizellen verpflanzt worden. Diese „echten Stammzellen“ sollen in der Lage sein, sich zu Leber-, Herz- oder Nervenzellen weiterzuentwickeln.
Die Biochemiker betonten, sie hätten keine auf natürlichem Weg befruchteten Eizellen verwendet. Zudem könne mit dieser Technik kaum ein lebensfähiges Individuum erzeugt werden. Von der Methode erhoffen sich die Forscher die Produktion von Körpergewebe, mit dem sich möglicherweise Krankheiten wie Parkinson oder Multiple Sklerose heilen lassen.
Dennoch schürt die Nachricht Ängste vor dem geklonten Menschen. Wie der Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Humangenetik, Michael Speicher, auf TT-Anfrage versichert, könnte man das Verfahren zwar „einen Schritt dorthin“ nennen, „man ist davon aber weit entfernt. Die Kollegen wollen therapeutisch klonen und nicht Menschen, sondern Gewebe herstellen“, betont der Grazer Genetiker.
Es gehe darum, Zellen „zurückzuprogrammieren“: Jede Körperzelle enthalte zwar das gleiche Erbgut, doch je nach ihrer Funktion seien „unterschiedliche Gene ein- und ausgeschaltet“, erklärt Speicher. Wenn man den Kern z. B. einer Hautzelle in eine entkernte Eizelle einbringt und es schafft, dieses „Ein/Aus“-Muster gezielt zu steuern, könnte etwa eine neuronale Zelle entstehen, um Rückenmarksverletzungen zu heilen.
Bei dem Verfahren sei kein Embryo im Spiel. „Ethisch vermutlich problematisch ist, dass man Eizellen braucht – und die kann man nur von einer Frau bekommen, die bereit ist, solche zu spenden.“ Für jeden Patienten, der Hilfe braucht, wäre also zumindest eine Eizelle notwendig.
Für die Spenderin sei dies belastend: Sie braucht eine hormonelle Stimulation und die Entnahme der Eizellen bedeutet einen Eingriff. Das wirft auch die Frage einer Entschädigung auf – und jene der Auswahl. Zwar wird der Kern der Eizelle entfernt, trotzdem bleibt ein Teil des Erbgutes der Frau (das mitochondriale Genom) erhalten. „Man müsste sorgfältig testen, weil es da Mutationen gibt, die die Energieabläufe in der Zelle stören könnten“, sagt Speicher.
Letztlich stelle sich nun die Frage, ob dieses Verfahren besser geeignet sei als die verfügbare Alternative: Die Methode der „induzierten pluripotenten Stammzellen“ (siehe Kasten) erhielt im Vorjahr den Medizinnobelpreis.
Die US-amerikanische Bischofskonferenz kommentierte die Meldung vom Klonverfahren als „zutiefst beunruhigend“. Auch wenn die Methode der Forschung dienen solle, werde sie zweifellos von denen aufgegriffen, die einmal geklonte Kinder herstellen wollten.
Die „aktion leben österreich“ forderte die Bundesregierung auf, jede Form des Klonens ausdrücklich zu verbieten. „Für das Klonen von Menschen bestehen in Österreich derzeit keine eindeutigen Regelungen“, erläuterte Generalsekretärin Martina Kronthaler. Das Fortpflanzungsmedizingesetz erfasse nur Embryonen, die durch Befruchtung einer Eizelle erzeugt werden. Humangenetiker Speicher zufolge ist das Klonverfahren in Österreich nicht möglich, weil die Eizellspende verboten sei.
Aktuell läuft die europaweite Bürgerinitiative „Eine/r von uns (One of us)“ mit dem Ziel eines EU-weiten Verbotes von „Embryos als Rohstoff“. Laut Mitorganisatorin Anne Fleck haben bisher 28.500 Österreicher unterschrieben. Zur Klonnachricht, erklärte sie auf TT-Anfrage: „Wenn es möglich wäre, aus einer Eizelle etwa eine Herzzelle zu züchten, ohne dass ein Embryo dazwischensteht, hätten wir kein Problem.“