Befreite Jemen-Geisel: Wurde zufällig entführt
In einem Interview berichtete der 26-jährige Wiener Dominik Neubauer über eine Scheinhinrichtung und die „völlig unerwartete“ Freilassung.
Wien –Auch nach der Freilassung des 26-jährigen Österreichers Dominik Neubauer sowie der beiden mit ihm im Jemen entführten Finnen herrscht weiter Rätselraten über die Hintergründe der Geiselnahme. Im Interview mit dem Nachrichtenmagazin News betonte der Wiener, dass er glaubt, am 21. Dezember 2012 nur zufällig Opfer von Entführern geworden zu sein. Bewaffnete Männer seien plötzlich in das Elektronikgeschäft gestürmt, in dem sie sich aufhielten, und hätten sie mit Kalaschnikows bewaffnet in ein parkendes Auto gedrängt. Die Entführer hätten augenblicklich „hektisch in arabischem Dialekt zu telefonieren“ begonnen. „Ich verstand nur, dass sie fieberhaft nach einer Unterkunft für uns suchten“, erklärte der 26-Jährige. Nachdem sie die erste Nacht gefesselt und mit Sprechverbot belegt in einem Haus verbracht hätten, seien sie am zweiten Tag acht Stunden auf asphaltierten Straßen gefahren und dann in die Wüste abgebogen. „Mir wurde klar: Die Typen wollen uns verkaufen“, erzählte Neubauer. Ob sie tatsächlich an die Terrororganisation Al-Kaida verkauft wurden, kann Neubauer nicht beurteilen. Vieles deute jedoch darauf hin, dass sie an Islamisten geraten seien, sagte er. Durch eine Scheinhinrichtung mitten in der Wüste habe man ihn gezwungen zum Islam zu konvertieren, berichtet der Wiener. Man habe ihm befohlen auszusteigen und sich neben dem Auto hinzuknien: „Ich höre, wie eine Waffe durchgeladen wird und spüre ihren Lauf am Hinterkopf. Und dann, als ich mit allem abgeschlossen hatte, fragt mich jemand auf Englisch, ob ich zum Islam übertreten möchte.“ Folter im engeren Sinne sei er keiner ausgesetzt gewesen. Allerdings hätte er vier Monate lang angekettet auf Schaumstoffmatratzen am Boden eines Lehmhauses verbracht: „Es krochen immer wieder Skorpione, Spinnen und auch Schlangen in den Raum.“ Zu trinken habe es schmutziges Wasser gegeben, zum Essen „nicht viel mehr außer Reis“, sagt Neubauer. Er habe sich übergeben müssen, Kopfweh und Durchfall und Angst davor gehabt, an Malaria erkrankt zu sein. Da stelle sich die Frage, „wo beginnt Folter und wo endet die ganz normale Qual“. Seine Freilassung sei dann „völlig unerwartet“ erfolgt, nachdem er bereits im März von den Finnen getrennt worden sei. Die Übergabe sei an einem Grenzgebäude an der jemenitisch-omanischen Grenze erfolgt. Er habe bis zum Schluss an „einen weiteren Trick“ geglaubt. Ob und von wem Lösegeld gezahlt wurde, wisse er nicht. Der Risiken seiner Reise sei er sich bewusst gewesen. In der Hauptstadt Sanaa war er sich keiner großen Gefahr bewusst.
Auch die freigelassenen finnischen Jemen-Geiseln Atte und Leila Kaleva haben gestern bei einer Pressekonferenz im Außenministerium in Helsinki über Einzelheiten ihrer fast fünf Monate währenden Geiselhaft berichtet. Erneut bekräftigten sie, dass sie gut behandelt worden seien. Sie seien weder körperlicher noch psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen. (APA, TT)