Bühne

Platt durchs Nachkriegswien

Enttäuschende, verschenkte Festwochen-Premiere: „Die Kinder von Wien“.

Von Bernadette Lietzow

Wien –Angesichts der Größe von Robert Neumanns so klarsichtigem und sprachlich so authentischem Roman „Die Kinder von Wien“, 1946 in englischer und 1948 in deutscher Sprache erschienen, stimmt es nachdenklich, wie hilflos die Dramatisierung, die am Mittwoch im Rahmen der Wiener Festwochen über die Bühne ging, dem Werk begegnet.

Es ist das zerstörte Wien von 1945, das der meist nur als begnadeter Parodist („Mit fremden Federn“) wahrgenommene, im englischen Exil lebende Wiener Neumann in einer Art vielstimmigen Kinderchor heraufbeschwört. Er setzt Kindern, die zu viel erlebt und ihre eigenen Überlebenscodes entwickelt haben, ein anrührendes literarisches Denkmal. In einem Kellerloch zwischen Gerümpel und Ratten, ständig bedroht von sinistren Erwachsenen, Schiebern, ehemaligen Nazis und Besatzungssoldaten, versuchen sechs Kinder, das jüngste im Babyalter, den Kampf ums Überleben. Alle, der Jude Jid, Ate, die BDM-Gymnasiastin, die ihre Eltern denunziert hat, Ewa, das brüchig-wilde Briefträgertöchterchen, der Jugendstraflager-erfahrene Goy und Curls, Bäckersohn und „Besitzer“ des Kellers unter der Bombenruine, sind das, was man banal als „Opfer der Verhältnisse“ bezeichnen könnte.

Hunger, Gewalt, Missbrauch und die Sehnsucht danach, einfach jung und Kind sein zu dürfen, sind die Angelpunkte der Geschichte. Anna Maria Krassnigg, österreichische Regisseurin mit Professur am Reinhardt-Seminar, richtet das flirrende Nachkriegsspiel in der imposanten Expedit-Halle der ehemaligen Ankerbrotfabrik aus. Auf der mit gebotenem Krempel ausgestatteten Bühne (Lydia Hofmann), auf der mit geschickter Lichtchoreografie (Lukas Kaltenbäck) ein Außen und Innen entsteht, wird Neumanns radikal sprachkünstlerische, weil so vielfarbige Vorlage mit enttäuschend großem emotionalen Abstand dargeboten. Es fällt schwer, den kalten Blick der Regisseurin auf die ihr anvertrauten „Kriegskinder“ zu ertragen und dem streckenweise zu rührigen Ensemble beim Versuch zusehen zu müssen, dichte Momente zu entwickeln.