Rebellen am Scheideweg: Kämpfen bis Assad stürzt oder verhandeln?
Eine internationale Friedenskonferenz soll die Bürgerkriegsparteien in Syrien zu einer Verhandlungslösung bewegen. Aber auch innerhalb der Opposition gibt es mittlerweile tiefe Gräben.
Damaskus/Istanbul - Die USA und Russland wollen mit einer internationalen Friedenskonferenz versuchen, die syrischen Bürgerkriegsparteien zu einer Verhandlungslösung zu bewegen. Doch die Opposition tut sich schwer damit, an dieser Konferenz teilzunehmen, solange Präsident Bashar al-Assad nicht zurücktritt. Das kommt Assad, der auch nach 80.000 Toten nicht an einen Rücktritt denkt, sehr gelegen.
Denn wie diese Woche aus Damaskus verlautete, will das Regime nicht nur eine eigene Delegation zu dem Treffen schicken, sondern auch die Teilnahme einiger „selbstgezüchteter“ Oppositionsgruppen an der Konferenz fördern.
Als Ort für das Treffen, das in der ersten Juni-Hälfte stattfinden soll, ist Genf im Gespräch. Auf der Tagesordnung soll die Bildung einer Übergangsregierung stehen, der Mitglieder des Regimes und Oppositionelle angehören. Diese Regierung soll mit „echten Machtbefugnissen“ ausgestattet sein und freie Wahlen vorbereiten.
Opposition gespalten
Innerhalb der notorisch zerstrittenen Opposition haben sich inzwischen zwei Lager gebildet. Eine Gruppe tritt für eine Teilnahme an dem Treffen ohne Bedingungen ein, um das tägliche Blutvergießen zu stoppen. Eine zweite Gruppe ist generell dagegen, solange Assads Rücktritt nicht Teil des Verhandlungspaketes ist.
„Die Oppositionellen, die behaupten, sie seien bereit, bis zum letzten Blutstropfen und zum letzten Kind zu kämpfen, leben oft Tausende Kilometer von der Heimat entfernt im sicheren Exil“, schimpft ein Exil-Oppositioneller, der sich gelegentlich in den von Rebellen beherrschten Gebieten Syriens aufhält.
Was die Suche nach einer politischen Lösung erschwert, ist die Tatsache, dass der Konflikt schon im Frühsommer 2011 - wenige Wochen nach den ersten Schüssen auf friedliche Demonstranten - eine regionale Dimension annahm. Die Türkei hat Assad inzwischen so provoziert, dass türkische Regierungspolitiker jede Woche aufs Neue seinen Abgang fordern. Der Iran unterstützt Assad nach wie vor vorbehaltlos, obwohl auch in Teheran die Zahl derjenigen, die an sein politisches Überleben glauben, sinkt. Sogar im Irak gibt es inzwischen Rekrutierungsbüros für Schiiten, die in Syrien auf der Seite des Regimes kämpfen wollen, wie es heißt, „um die heiligen Stätten von Sayyida Zeinab zu schützen“.
Saudis wollen neuen Oppositionschef
Auch einige Mitglieder der sogenannten Kerngruppe der Kontaktgruppe der Freunde Syriens, die nächsten Mittwoch in Jordanien tagen soll, sorgen dafür, dass der blutige Konflikt immer mehr wie ein gordischer Knoten erscheint. Aus Oppositionskreisen heißt es, Saudi-Arabien arbeite im Moment eifrig daran, Ghassan Hito abzusägen, der von der Nationalen Syrischen Koalition im vergangenen März zum Ministerpräsidenten einer Gegenregierung gewählt worden war.
Angeblich wollen ihn die Saudis nicht, weil er von dem regionalen Rivalen Katar unterstützt wird. Als neuer Regierungschef ist inzwischen der ehemalige politische Gefangene Ahmed Tome im Gespräch.
Auch darüber, wer Ende nächster Woche in Istanbul zum neuen Vorsitzenden der Koalition gewählt werden soll, ist ein erbitterter Streit entbrannt. Die von westlichen Staaten angemahnte Erweiterung der Koalition um gemäßigte Oppositionsgruppen, die sich dem Bündnis noch nicht angeschlossen hatten, wird von der Muslimbruderschaft torpediert, die dadurch ihren Einfluss schwinden sieht.
Immerhin hat die Koalition erkannt, dass sie die erste internationale Initiative, an der auch Assads Waffenlieferant Russland beteiligt ist, ernst nehmen muss. Am Donnerstag teilte das Bündnis mit: „Wir bekräftigen, dass wir es als unsere Pflicht ansehen, alle internationalen Bemühungen zu unterstützen, die eine friedlichere und demokratische Zukunft unseres Landes zum Ziel haben.“
Hoffnung auf moderne Waffen schwindet für Rebellen
Unterdessen schwindet die Hoffnung der Oppositionellen, dass sich der Westen doch noch zur Einrichtung einer Flugverbotszone oder zur Lieferung moderner Waffensysteme an die Rebellen entschließen könnte. Denn sie wissen, dass die jüngsten Videoaufnahmen von Kriegsverbrechen der bewaffneten Regimegegner nicht dazu angetan sind, westliche Regierungen zu einem direkteren Engagement zu ermuntern.
Von Anne-Beatrice Clasmann/dpa