Prozess in München

Zwei Angeklagte wollen reden: NSU-Prozess unterbrochen

Richter Manfred Götzl hat am Donnerstag Tempo gemacht und einen Antrag nach dem anderen verhandelt. Carsten S. und Holger G. wollen aussagen.

München – Im Prozess um die Terroranschläge des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) wollen zwei der Angeklagte aussagen. Die Verhandlung vor Gericht in München wurde am Donnerstag aber unterbrochen und soll erst am 4. Juni fortgesetzt werden.

Bei den aussagewilligen Angeklagten handelt es sich um Carsten S. und Holger G. Ersterem wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen, Holger G. ist als Unterstützer der Gruppe angeklagt.

Die Anwälte der Hauptangeklagten Beate Zschäpe erklärten hingegen in der mündlichen Verhandlung erneut, dass ihre Mandantin keine Aussage machen werde. Zschäpe wird eine Mittäterschaft unter anderem an zehn Morden in den Jahren 2000 bis 2007 zur Last gelegt. Auch der Angeklagte André E. will sich nicht vor Gericht äußern. Die Anwältin von Ralf Wohlleben kündigte eine Erklärung der Verteidiger an.

Antrag auf Antrag wurde verhandelt

Zuvor hatte Richter Manfred Götzl aufs Tempo gedrückt. Es wurde über zahlreiche Anträge von Verteidigung und Nebenklägern - darunter verschiedene auf Einsicht der Akten aus den parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschüssen - verhandelt. Die Verteidigung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe hatte gefordert, den Prozess auszusetzen oder zumindest für drei Wochen zu unterbrechen, um Einsicht in die Akten zu nehmen.

„Das Verfahren muss nicht ausgesetzt werden, um diese Akten beizuziehen und einzusehen“, sagte dagegen Bundesanwalt Herbert Diemer. „Es kann darin nichts enthalten sein, was für die Schuld-und Straffrage von Bedeutung ist.“ Zahlreiche Nebenkläger aber sehen das anders und beantragten ebenfalls eine weitergehende Einsicht in Akten - allerdings ohne deshalb den Prozess zu unterbrechen, der bisher ohnehin nur schleppend in Gang gekommen ist.

Über diese und andere Anträge wollte das Gericht bis zum Nachmittag beraten. Es legte darum eine besonders lange Mittagspause ein. Der Donnerstag ist der letzte Verhandlungstag vor einer knapp dreiwöchigen Pause über die Pfingstferien in Bayern, das Verfahren soll danach am 4. Juni fortgesetzt werden.

Keine Auskopplung des Kölner Bombenanschlags

Zudem wurde entschieden, dass der Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße nicht aus dem NSU-Prozess ausgekoppelt wird. Bei dem Bombenanschlag in Köln am 9. Juni 2004 waren 22 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt worden. Das Gericht hatte über eine Abtrennung dieser Tat vom übrigen Prozess nachgedacht, weil sich deshalb möglicherweise noch zahlreiche weitere Nebenkläger anschließen könnten.

Türkische Medien haben unterdessen den schleppenden Fortgang des Münchner NSU-Prozesses kritisiert. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht in der bayerischen Hauptstadt sei „kein Prozess, sondern ein Wortgefecht“, hieß es am Donnerstag in der unabhängigen Tageszeitung „Taraf“. In der Europa-Ausgabe der Zeitung „Sabah“, die vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen das ursprüngliche Akkreditierungsverfahren beim NSU-Prozess geklagt hatte, war von einem „Nervenkrieg“ im Münchner Gerichtssaal die Rede.

Die mutmaßliche Rechtsterroristin Zschäpe ist zusammen mit vier mutmaßlichen Helfern des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) angeklagt. Zschäpe wird vorgeworfen, Mittäterin bei zehn Morden, zwei Bombenanschlägen und fünfzehn Banküberfällen gewesen zu sein. Unter den zehn Todesopfern sind acht türkischstämmige Kleinunternehmer.