Bühne

Bei Max und den starken Männern

Großer Bahnhof bei den Festwochen: Begegnung mit Bruno Ganz in Luc Bondys Inszenierung von Harold Pinters „Die Heimkehr“.

Von Bernadette Lietzow

Wien –Lange hielt sich der Schweizer Ausnahme-Schauspieler Bruno Ganz von den Bühnen fern, war seinen Anhängern nur über Filme greifbar. Luc Bondy, scheidender Festwochen-Intendant und seit Herbst Direktor des Théâtre de l’Odéon in Paris, ist es zu verdanken, diesem imponierenden Darsteller nun in Wien zusehen und -hören zu dürfen. In französischer Sprache wohlgemerkt, was der faszinierenden Aura von Bruno Ganz keinen Abbruch tut. Für die zweieinhalb Stunden des Abends ist er Max, der ehemalige Metzger, das stets gewaltbereite Oberhaupt einer Männerfamilie und der durchtrieben larmoyante Egozentriker aus Harold Pinters 1964 geschriebenem Skandalstück „Die Heimkehr“.

Mitstreiter in dieser „Familie von Krüppeln“ mit „drei Arschlöchern als Söhne“ sind sein Bruder, der Chauffeur Sam (Pascal Greggory) und die beiden Söhne Lenny (Micha Lescot), der zynisch-scharfsinnige Zuhälter, und Joey (Louis Garrel), der simple Bauarbeiter mit Boxambitionen. Der dritte Sohn, Teddy (Jérôme Kircher), hat sich über den großen Teich geflüchtet und es dort zum Philosophieprofessor mit Ehefrau, Haus und drei (!) Söhnen gebracht. Anhand seiner Stippvisite im Elternhaus, das nach dem Tod der von Max verklärten wie verachteten Mutter ein „Vater-Haus“ geworden ist, stößt Pinter eine schiere Lawine männlichen Herrschaftsgehabes an, begleitet von der nur mit Zoten in den Griff zu bekommenden Angst vor dem Weiblichen. Dieses ist in Gestalt von Teddys Ehefrau mit fragwürdiger Vergangenheit Ruth (Emmanuelle Seigner) Klischee und Machotraum. Sie ist Hure und Heilige in Barbiepuppen-Gestalt, kurz: die perfekte Projektion und zu Aggressionen verleitende Bedrohung der fragilen wie brutalen Männergemeinschaft.

In Leitwolf-Manier wird sich zuerst Max seiner Schwiegertochter lüstern nähern, ihr ebenso zufällig wie besitzergreifend die Schenkel streicheln, bevor sich sein Sohn Joey von ihr, übrigens nicht ganz erfolgreich, „anzünden“ lassen wird und auch Lenny sich ihr nähern darf. Der intellektuelle Underdog Teddy, zurückgeholt ins heimatliche System, wird den Tanz um seine Ehefrau geduldig wie beflissen geschehen lassen, am Ende allein in die Staaten zurückkehren und Ruth bei „Max und den starken Männern“ lassen. Entsprechend Lennys Idee wird sie, zu ihren Bedingungen, als Prostituierte arbeiten und Aufnahme finden als Mitglied der „Familie“. Bondy, dessen Inszenierung von „Le Retour/Die Heimkehr“ anlässlich der Premiere in Paris im vergangenen Herbst sehr akklamiert wurde, gibt Pinters Zynismus breiten Raum, vertraut auf ein ausgezeichnetes Ensemble und erliegt nicht der Verführung, den Fokus zu sehr auf den Star Bruno Ganz zu setzen. Die Bühne von Johannes Schütz spiegelt perfekt die Stimmung eines jener traurigen, schlecht gebauten Londoner Vorstadthäuser wider, in denen sich das schamlose Kammerspiel entfaltet. Es ist ein durchdachtes Stück Theater, das da in der Halle E des Museumsquartiers Station macht, ganz zum Wohlgefallen des Wiener Premierenpublikums.