Natur

Denkmalschutz wehrt sich gegen bröckelndes Verständnis

Nach dem Abriss eines denkmalgeschützten Widums in Weer gehen die Wogen weiter hoch. Das Denkmalamt tritt der Kritik entgegen.

Von Marco Witting

Innsbruck –Ein besonderer Mauerfall. Und seine Nachwehen. Nach dem Gerichtsurteil gegen den gesamten Gemeinderat von Weer, gegen das mittlerweile berufen wurde, wird gegen das Bundesdenkmalamt weiterhin teilweise scharf gewettert. Doch die Behörde setzt sich entschieden gegen das bröckelnde Verständnis für den Kulturerhalt zur Wehr. Und sagt, dass dort, wo das Gespräch gesucht wurde, noch stets eine Lösung gefunden wurde.

Wie berichtet, muss nach dem Abriss des teilweise unter Schutz gestellten Widums in Weer dort jeder Gemeinderat – nicht rechtskräftig – bis zu 35.000 Euro Strafe zahlen. Zuletzt kritisierte auch der Pfarrer der Gemeinde das Bundesdenkmalamt und das Strafmaß im ersten Verfahren. Stets wurde von Seiten der Gemeinde angeführt, dass mit der Behörde kein Einvernehmen zu erzielen war.

Doch das stellt der Leiter des Denkmalamts in Innsbruck, Werner Jud, in Abrede. Denn: „Überall, wo das Gespräch gesucht wurde“, habe man irgendwann eine Lösung gefunden. Dass gezielt eine Substanz abgerissen wurde, das hätte es in den vergangenen 30 Jahren vielleicht „drei- bis viermal“ gegeben. Generell schwierige Verhältnisse für den Denkmalschutz in den Gemeinden ortet Jud aber nicht. „Es gibt auch Kompromisse“, gesteht er ein. Wenn alle gut damit leben könnten, dann sei das für alle zufriedenstellend.

Österreichweit standen mit Ende 2012 insgesamt 37.118 Bau- und Bodendenkmäler unter Schutz. Und für viele Kommunen ist der Erhalt des kulturellen Erbes mit dem Florianiprinzip gleichzusetzen. Im Nachbardorf gerne, aber nicht bei uns. Auch in der Bevölkerung hält sich hartnäckig die Meinung: „Steht das Gebäude erst unter Denkmalschutz, darf ich keinen Nagel mehr selber hineinschlagen.“

Auch das will Jud so nicht stehen lassen. „Es gibt durchaus die Möglichkeit der Veränderung. Wir haben nichts von toten Denkmälern und wollen auch, dass unter Schutz stehende Gebäude genutzt werden. Belebte Objekte sind viel wichtiger.“ Der Leiter des Bundesdenkmalamts sieht dafür eine Grundvoraussetzung: die genaue Abstimmung mit dem Amt. Dann könne auch eine zeitgemäße Lösung gefunden werden. Die müsse, laut Jud, auch nicht teurer sein. Etwas, das im Fall Weer die Gemeinde stets anders gesehen hat.

„Private Häuser können durchaus mit einem vernünftigen finanziellen Aufwand bewohnbar gemacht werden.“

Und das Bundesdenkmalamt will in Tirol künftig weitere Schwerpunkte setzen. Etwa bei Bauernhöfen in der Ortsmitte. Denn hier sei viel verloren gegangen. Vom Kulturgut und dem Erbe von früher. „Es ist nicht gut, wenn alte Dorfkerne und Höfe nur noch im Museum zu sehen sind. Der größte Druck ist jener der Industrialisierung des Tourismus.“

Für Jud geht es dabei auch um die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. In anderen Ländern, etwa Frankreich oder England, gebe es keine entsprechende Behörde oder Gesetzeslage, sondern ein tief verwurzeltes Bewusstsein, das „Erbe der eigenen Kultur“ zu bewahren. „Man sieht es ja gut an den Prospekten. Wenn bei uns nicht mit Skifahrern oder der Landschaft geworben wird, dann sind es alte Gebäude. Die müssen wir uns auch wegen des Tourismus erhalten“, sagt der Denkmalschützer.

Jud versteht auch den Druck, dem Lokalpolitiker ausgesetzt sind. Und genau diese Spannungen sind oft nicht leicht zu lösen. Dass das Denkmalamt aber „Verhinderer“ sei, will er nicht stehen lassen. „Wir sind da, um den Menschen zu helfen, sie zu beraten und zu betreuen.“

50 bis 60 Jahre dauert es, bis Objekte für den Denkmalschutz interessant werden. Dabei muss die Behörde die Geschmacksfrage möglichst in den Hintergrund stellen. Auch der Zeitgeist von damals muss „außen vor bleiben“. Und so wächst in Sachen Denkmalpflege auch weiterhin vieles nach. Als Nächstes Gebäude aus den 50ern, 60ern und 70ern. Das wird da und dort wohl erneut für Konfliktpotenzial sorgen. Jud: „Es geht um Gebäude, die uns auch in 100 Jahren noch etwas sagen.“