Deutschland

Österreichische Pässe als Tarnung: Spion-Pärchen „Anschlag“ verurteilt

Mehr als 20 Jahre sollen die beiden für den KGB und dessen Nachfolger SWR spioniert haben. Sie gaben sich als Österreicher aus, ihre Pässe sollen von einem steirischen Standesbeamten ausgestellt worden sein.

Stuttgart – Das russische Agentenehepaar mit dem klingenden Nachnamen „Anschlag“ muss für mehrere Jahre hinter Gitter. Wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart den Hauptangeklagten am Dienstag zu sechseinhalb Jahren und seine Frau zu fünfeinhalb Jahren Haft. Beide verfügten über österreichische Pässe, die sie als Heidrun und Andreas Anschlag ausweisen. Ihre wahre Identität kennt selbst das Gericht nicht. Sie sollen Russen sein.

Nach Überzeugung des Strafsenats hatten sie als biedere Familie getarnt Hunderte Dokumente zu EU und Nato an den russischen Geheimdienst – erst an den KGB und später an dessen Nachfolger SWR – geliefert. Die Papiere stammten von einem Maulwurf aus dem niederländischen Außenministerium. Für die Dienste sollen die Eheleute zuletzt rund 100.000 Euro pro Jahr bekommen haben. 690 000 Euro hätten sie mit ihrer „Eichhörnchenmentalität“ angespart. Wo das Geld heute ist, weiß der Senat nicht.

Österreichische Pässe in der Stiermark ausgestellt

Mehr als 20 Jahre lebte das Paar in Deutschland. 1988 und 1990 reisten die beiden nach Deutschland ein. Sie gaben an, in Südamerika geboren und aufgewachsen zu sein. Ihre österreichischen Pässe soll bereits Jahre zuvor ein steirischer Standesbeamter ausgestellt haben. Die Staatsanwaltschaft Leoben hatte dazu ein Verfahren geführt, dass aber 2011 eingestellt wurde.

Unter anderem spreche die lange Dauer ihrer Agententätigkeit gegen die Angeklagten. „Der Senat hatte den Eindruck, er habe nur an der Spitze des Eisbergs gekratzt, der in 20 Jahren entstanden ist“, sagte Richterin Roggenbrod. Mit dem Urteil wolle der Senat auch klarmachen, dass bei Agententätigkeit hohe Strafen drohten.

Geheime Botschaften in Fußballvideos auf Youtube

Die Übermittlungsmethoden des Paares wirken angesichts des weltweiten Cyberspionage-Skandals fast schon altbacken: Die beiden versteckten zum Beispiel USB-Sticks in Erdlöchern und übermittelten geheime Botschaften in Kommentaren zu Fußballvideos auf der Internetplattform Youtube. Die Vorsitzende Richterin sagte, der russische Nachrichtendienst schätze anscheinend trotz neuer Medien die erprobten Spionagemethoden.

Während der Senat beim Strafmaß für Andreas Anschlag unter den vom Bundesanwalt geforderten siebeneinhalb Jahren Haft blieb, fiel die Strafe für Heidrun Anschlag ein Jahr höher aus. Die Eheleute seien als gemischtes Agentendoppel aufgetreten und hätten wie Zahnräder ineinandergegriffen, sagte die Vorsitzende Richterin.

Ob die Angeklagten Revision beantragen, ist noch offen. Die Verteidiger hatten mehrfach klargemacht, dass ihre Mandanten keineswegs „eiskalt“ seien: Heidrun Anschlag brach beispielsweise im Gericht immer wieder in Tränen aus, wenn die Sprache auf ihre inzwischen erwachsene Tochter kam. Selbst diese soll bis kurz vor der Verhaftung nichts vom Doppelleben ihrer Eltern gewusst haben. (dpa, APA, tt.com)