„Ich würde meine Katze heiraten“
Die Beziehung zu Tieren ist bedingungsloser und stressfreier als zu Menschen. Kein Wunder, dass Vierbeiner immer öfter als Partnerersatz gelten. Doch ist das auf Dauer sinnvoll? Ein Paar- und Sexualtherapeut bezieht Stellung.
Von Judith Sam
Die Welt scheint großen Wert darauf zu legen, was eine Katze zu sagen hat: Beim Kurznachrichtendienst Twitter hat die Katze des Designers Karl Lagerfeld mehr als 30.000 Follower. Die kleine, weiße Choupette schreibt ihre virtuellen Tagebucheinträge natürlich nicht selbst, ein Ghostwriter erledigt das für sie. Man sieht Bilder, auf denen sie eigens zubereiteten „Garnelenkuchen“ frisst oder liest Einträge, in denen ihr Alter Ego schreibt, dass sie in den ersten Monaten ihres Lebens bereits öfter mit Designerkleidung in Berührung kam als die meisten Frauen in ihrem gesamten Leben.
Bei diesem liebevollen Umgang überrascht es wenig, dass Chanel Chefdesigner Lagerfeld gegenüber der britischen Zeitung Daily Mail kürzlich meinte: „Ich würde meine Katze heiraten, wenn ich könnte.“
Solche Aussagen sind für den Paar- und Sexualtherapeuten Bernhard Moritz aus Telfs nicht ungewöhnlich: „Menschen sind sehr soziale Wesen, die danach streben, sich um jemanden zu kümmern und ein gewisses Maß an Verantwortung zu tragen. Da Beziehungen zu Mitmenschen zunehmend komplexer und damit schwieriger werden, liegt es für viele nahe, sich auf Tiere zu fokussieren.“
Menschen hätten nämlich unterschiedliche Meinungen, Erwartungen und einen eigenen Intellekt. Zu Tieren hingegen könne man eine sehr einfache, doch hochwertige Art der Beziehung führen: „Hunde etwa stillen das menschliche Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit, verlangen jedoch verhältnismäßig wenig dafür. Wenn man sie füttert, bewegt und streichelt reicht das meist schon.“
Zudem sei man hier stets Herr der Beziehung: „Wenn mir nach Streicheln zumute ist, mache ich das. Will ich jedoch meine Ruhe, soll der Hund ,Sitz‘ machen, und schon kann ich mich anderen Dingen widmen. In einer modernen, menschlichen, emanzipierten Beziehung wäre so ein Verhalten undenkbar.“
Tiere so zu vermenschlichen, sei kein neuer Trend: „Bereits in alten Fabeln findet man metaphorische Vergleiche wie ,den schlauen Fuchs‘ oder ,den faulen Kater‘. In Märchen sprechen Wölfe, Kröten oder Hasen.“ Doch Tiere so in ein menschliches Ordnungssystem einzugliedern, beinhalte zwei Probleme: „Zum einen werden die Vierbeiner so vielleicht nicht mehr artgerecht behandelt.“ Katzen und Hunden Kleidung zu kaufen, wäre ein gutes Beispiel dafür. Andererseits verlieren manche Menschen als Folge den Anschluss zu Mitmenschen.
Doch auch das Gegenteil kann der Fall sein – dass man erst durch ein Haustier neue soziale Kontakte knüpfen kann. Jannes Dawe, Inhaber der Homepage www.datemydog.eu, hat damit viel Erfahrung: „Diese Seite würde gegründet, um Hundebesitzern die Möglichkeit zu bieten, virtuell mit anderen Hundebesitzern zu flirten.“ Im TT-Gespräch erklärt er, dass dieses Nischendating nicht grundlos sehr erfolgreich ist: „Man sagt zwar immer, dass sich Gegenteile anziehen, doch in Wirklichkeit sucht man doch jemanden, der ähnliche Interessen hat.“ Da speziell Hunde ohnehin einen großen Teil des Lebens dominieren würden, läge es nahe, nur einen Hundeliebhaber als Partner zu wählen: „Denn dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass der ein inniges Verhältnis zum Tier aufbaut.“
Es überrascht kaum, dass die Erfolgsquote der Seite genauso hoch ist wie bei Datingseiten ohne Hundebezug: „Es gibt nur einen Unterschied: Während andere Seiten über einen Männerüberschuss stöhnen, sind bei uns 78 Prozent Frauen.“
Scheint, als wären Frauen rascher vom unterbewussten Nutzen eines Hundes überzeugt – denn vierbeinige Mitbewohner sind nicht nur treue Freunde, sie dienen auch der Gesundheit. Eine Studie der New-York-State-University, für die Börsenmakler mit hohem Blutdruck untersucht wurden, bewies, dass das Streicheln eines Haustiers folgende Effekte nach sich zieht: Blutdruck und Cholesterinwerte sind niedriger als beim Durchschnitt und die Wahrscheinlichkeit für Herzgefäßkrankheiten sinkt. Laut mehreren Krankenhausstudien haben Hundebesitzer eine höhere Überlebensrate bei ernsten Krankheiten, schnellere Genesungszeiten, Senioren reagieren besser auf Behandlungen. Studien in Cambridge zeigten, dass die emotionale Gesundheit von Hundebesitzern höher ist und Arztbesuche seltener sind.
Was liegt in Anbetracht dieser Erkenntnisse näher, als dem Schriftsteller Erich Kästner zuzustimmen, der meinte: „Man kann auch ohne Hund leben – aber es lohnt sich nicht.“