EU

Orban attackiert EU-Parlament: Kritik an Ungarn „sehr beleidigend“

Ungarns Regierungschef verteidigt die Vorgänge in seinem Land gegen die Kritik der EU.“ Wir wollen kein Europa, wo unsere Freiheit beschränkt wird“, betonte er nei seiner Rede im EU-Parlament. In In der anschließenden Debatte gingen die Wogen hoch.

Straßburg, Budapest - Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat sich am Dienstag in scharfen Worten gegen Kritik des Europaparlaments gewehrt. „Wir Ungarn wollen kein Europa, in dem die erfolgreichen Länder bestraft statt gelobt werden. Wir wollen kein Europa, wo unsere Freiheit beschränkt wird“, betonte der rechtskonservative Politiker am Dienstagnachmittag in Straßburg. Die EU-Abgeordneten würden bei der Beurteilung seines Landes „mit zweierlei Maß“ messen kritisierte Orban den „sehr beleidigenden“ Bericht des EU-Parlaments.

Das Europaparlament will am Mittwoch eine Entschließung zu Ungarn annehmen, in der unter anderem ein Überwachungsmechanismus für die Regierung in Budapest vorgeschlagen wird. In dem Bericht wird die Einschränkung von Demokratie und Grundrechten durch die seit drei Jahren mit Zwei-Drittel-Mehrheit amtierenden Regierung unter Orban kritisiert.

„Dieser Bericht ist zutiefst ungerecht“, betonte Orban. „Er stellt eine wirkliche Gefahr für Europa dar, nicht für Ungarn.“ Seine Heimat sei es nämlich gewöhnt, „mit Gegenwind zu arbeiten“. Der Bericht sei eine Verletzung der EU-Gründungsverträge, weil damit „ein Staat der EU unter Vormundschaft gestellt“ werden soll.

„Ich habe es miterlebt, wie es ist, Bürger zweiter Klasse zu sein“, sagte Orban mit Blick auf das kommunistische Ungarn. „Ich habe mich den Freiheitskämpfern angeschlossen, dass damit Schluss ist.“ Nun wolle er kein Europa, wo die Freiheit beschränkt und mit zweierlei Maß gemessen werde.

Orban ging in seiner Wortmeldung auf keinen der Kritikpunkte konkret ein, sondern versuchte sich als erfolgreicher Krisenmanager zu präsentieren. Ungarn sei noch vor Griechenland von der Finanzkrise an den Rand der Pleite gedrängt worden. Unter seiner Regierung hätten die Ungarn „sehr hart gearbeitet, damit sie aus der Falle, in die sie wegen der Finanzkrise gefallen sind, herausklettern“. Heute komme Budapest ohne Hilfsprogramme aus, betonte er.

„Machtkonzentration“ in den Händen von Orbans

Der zuständige Berichterstatter des Europaparlaments, der Portugiese Rui Tavares, hatte zuvor demonstrativ den Wortlaut des Grundrechtsartikels des EU-Vertrags in ungarischer Sprache vorgetragen. Er kritisierte die zahlreichen Maßnahmen bis hin zum Beschluss einer neuen Verfassung, die zu einer „Machtkonzentration“ in den Händen von Orbans Regierung geführt habe.

Nach Kritik der EU-Kommission und des Europarates will die ungarische Regierung nun die Verfassung erneut ändern. Bei den drei von der EU-Kommission beanstandeten Punkten handelt es sich um ein Verbot von Wahlwerbung für politische Parteien in privaten Fernseh-und Radiosendern, die mögliche Einhebung von zusätzlichen Steuern für den Ausgleich von Kosten, die durch eine Verurteilung Ungarns vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) entstehen, und schließlich die Möglichkeit für eine Justizbehörde, Verfahren anderen Gerichten zuzuteilen. Die ungarische Regierung sagte bisher nur in der Steuerfrage und der Verweisung von Fällen an andere Gerichte Änderungen zu.

Empörung über Sowjetunion-Vergleiche

In der anschließenden Debatte der Europaparlamentarier gingen die Wogen hoch. Der Grüne Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit zeigte sich empört, dass Orban in seiner Wortmeldung die Europäische Union mit der Sowjetunion verglichen habe. „Das ist unerträglich“, sagte er. Orbans Parteikollege Jozsef Csajer sprach dem ungarischen Premier bei und wies die Vorwürfe Cohn-Bendits zurück: „Das Wort Sowjetunion haben Sie in den Mund genommen.“

Kurze Zeit später zog Csajer jedoch selbst einen Vergleich zur Sowjetunion. Mit Blick auf die angeblich zu knapp bemessene Redezeit für ungarische Regierungsvertreter in der Debatte sagte er: „Selbst Stalin hat den Angeklagten in seinen Schauprozessen mehr Redezeit eingeräumt.“ Parlamentspräsident Martin Schulz erteilte dem Fidesz-Mandatar daraufhin einen Ordnungsruf für diese „schlimme Entgleisung“. Der sozialdemokratische Fraktionschef Hannes Swoboda zeigte sich verwundert, dass Orban sich gegen die EU „schützen“ wolle. „Sie sind Teil der EU, die für Rechtsstaatlichkeit sorgen muss“, sagte der SPÖ-Abgeordnete.

Dagegen brach der deutsche EVP-Abgeordnete Manfred Weber eine Lanze für die ungarische Regierung. Er wies darauf hin, dass sich der Europarat gegen die Einleitung eines Überwachungsverfahrens entschieden habe. Damit habe auch der Bericht des Europaparlaments keine Grundlage mehr. Bereits im Vorfeld der Debatte hatten sich auch Abgeordnete von ÖVP und FPÖ kritisch geäußert. FPÖ-Europaabgeordneter Andreas Mölzer sprach von einer „Doppelzüngigkeit“. „Man prügelt Ungarn für Dinge, die woanders auch stattfinden“, sagte er. Der ÖVP-Mandatar Hubert Pirker kritisierte, dass der Bericht auf falschen Fakten beruhe.

Zahlreiche Verstöße aufgelistet

Im Bericht des zuständigen Parlamentsausschusses für bürgerliche Freiheiten werden zahlreiche Verstöße der konservativen Regierung aufgelistet, die im Jahr 2011 eine neue Verfassung im Schnellverfahren vom Parlament absegnen ließ und darüber hinaus zahlreiche einfachgesetzliche Materien vor Änderungen durch künftige Parlamentsmehrheiten absichern ließ. Diese 26 „Kardinalgesetze“ können nämlich nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden, über die Orbans „Fidesz“-Partei verfügt.

Kritisiert wird auch die Entmachtung des Verfassungsgerichts, die „einseitige“ Änderung des Wahlrechts samt Pflicht zur Wählerregistrierung, die Senkung des Pensionsalters für Richter von 70 auf 62 Jahre sowie die umfassenden Strafbefugnisse der neuen Medienbehörde. (APA)