„Bienen-Killer“, Mafia-Paragraf & Co: Nationalrat-Endspurt vor Wahl
Im Parlament in Wien begann am Mittwoch die letzte reguläre Plenarsitzung vor der Sommerpause und vor den Nationalratswahlen. Mindestens 135 Tagesordnungspunkte sollen dabei abgearbeitet werden. Unter anderem ein neues Staatsbürgerschaftsrecht, eine Entschärfung des Mafia-Paragraphen, Notfallpläne gegen Bankenpleiten oder ein Verbot der umstrittenen Pflanzenschutzmittel Neonicotinoide.
Wien - Im Nationalrat wird von Mittwoch bis Freitag „aufgeräumt“. Alles, worauf man sich noch verständigen konnte, wird in der letzten regulären Plenarwoche der Gesetzgebungsperiode auf den Weg gebracht. 135 Tagesordnungspunkte gilt es in den drei Marathon-Sitzungen abzuarbeiten, darunter so unterschiedliche Materien wie Staatsbürgerschafts-Reform, Bankeninsolvenzrecht, Bienenschutz und Pflegekarenz.
Neue Sicherheitsstrategie fixiert
Am Mittwochnachmittag wurde unter anderem die neue Sicherheitsdoktrin fixiert. Neben der Koalition gaben auch die Freiheitlichen und das Team Stronach ihre Zustimmung. Im Wesentlichen bekennt sich Österreich darin zur Neutralität, sichert die Stellung von 1.100 Blauhelmen zu und gibt ein Bekenntnis zur Wehrpflicht ab. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Sicherheitspolitik soll künftig auch die Bekämpfung der Cyber-Kriminalität sein.
Ein Nein zur Sicherheitsstrategie kam von BZÖ und Grünen. Bündnis-Wehrsprecher Kurt List meinte, es handle sich um ein Huschpfusch-Aktion und eine magere neue Strategie, die hinter der derzeit gültigen Doktrin (die unter dem ehemaligen Verteidigungsminister und heutigen BZÖ-Mandatar Herbert Scheibner erstellt wurde) zurückbleibe. Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz beklagte, dass die Strategie nicht wie sonst üblich vom Parlament erarbeitet wurde sondern letztlich bloß von der derzeit amtierenden Regierung. Damit werde auch das Ablaufdatum der Doktrin bereits die Nationalratswahl sein.
Lieber sprach Pilz allerdings ohnehin über die NSA-Affäre und im speziellen über die von Spanien verwehrte Überfluggenehmigung für Boliviens Präsident Evo Morales, da an Bord seiner Maschine Aufdecker Edward Snowden vermutet worden war. Der Grün-Politiker bezeichnete Spanien deshalb als Bananenrepublik Nordamerikas und erregte sich darüber, dass die USA sichtlich in der Lage und bereit seien, die EU, Lateinamerika und Russland zu erpressen, um einen Datenschützer zu jagen.
Umso mehr ist für Pilz klar, dass Ex-NSA-Mitarbeiter Snowden in Österreich Asyl erhalten müsse. Denn nunmehr sei wohl offensichtlich, dass er politisch verfolgt werde.
Entschärfung des „Mafia-Paragrafen“ und Bienenschutz
Zu beschließen hat der Nationalrat in den kommenden Tagen noch einiges, auch einige Last-Minute-Materien, auf die sich die Koalition erst dieser Tage verständigen konnte. Da gibt es etwa die vom umstrittenen Wiener Neustädter Tierschützer-Prozess bewirkte Entschärfung des „Mafia-Paragrafen“, der die ÖVP nach einigen Zaudern doch zustimmt und die künftig Tierschutz-Organisationen vor entsprechenden Anklagen schützt.
Ebenfalls längeres Nachdenken brauchte es bei der Volkspartei, um dem Verbot von Neonicotinoiden, die unter dem Verdacht der Bienen-Schädigung stehen, etwas abgewinnen zu können. Beim Psychologengesetz waren es wiederum die betroffenen Berufsgruppen, die mit ihren Protesten Rot und Schwarz das Leben schwer machten. Warten heißt es dagegen auf die Aufwertung der Volksbegehren, die jetzt einmal in Begutachtung geht und allenfalls noch bei einer zusätzlichen Sitzung im September beschlossen werden könnte.
Pflegekarenz und Pflegeteilzeit
Während der Pflegefonds am Donnerstag einfach bis Ende 2016 verlängert und mit mehr Geld dotiert wird, gibt es im Pflegebereich auch zwei echte Neuerungen, Pflegekarenz und Pflegeteilzeit. Ebenfalls aus dem Sozialbereich kommt eine Art Vorpension für Bauarbeiter, die keinen Job mehr finden können und entsprechend lang in der Branche tätig waren. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) wiederum hat dem Nationalrat eine Gratis-Beratungsstunde für werdende Mütter bei einer Hebamme zum Beschluss vorgelegt.
Für einen besseren Kinderschutz vor gewalttätigen Eltern soll eine Ausweitung des Betretungsverbots sorgen, das künftig auch in Schulen, Kindergärten und Horten gelten kann. Im Schulbereich gescheitert ist nach derzeitigem Stand der Plan, die Bezirksschulräte abzuschaffen, da die Opposition nicht die Stimmen für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit liefern will. Abgesegnet wird dafür am Donnerstag die Bund-Länder-Vereinbarung über den Ausbau ganztägiger Schulformen, die dafür sorgen soll, dass es bis Ende des Schuljahres 2018/19 200.000 Ganztagesplätze gibt.
Neues Staatsbürgerschaftsrecht
Gesetz wird am Donnerstag auch ein Prestige-Projekt von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP), nämlich das neue Staatsbürgerschaftsrecht. Wohl interessantester Punkt darin ist, dass gut integrierten Fremden schon nach sechs Jahren in Österreich Zugang zum österreichischen Reisepass geboten wird. Voraussetzung dafür: Entweder ihr Deutsch ist ausgezeichnet oder sie haben sich während drei Jahren in einem Sozialberuf oder bei besonderem zivilgesellschaftlichem Engagement verdient gemacht, wobei unter letztem beispielsweise auch eine Tätigkeit im Elternverein oder Betriebsrat verstanden wird.
Ein Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ermöglicht, dass Homosexuellen künftig die Adoption von Stiefkindern gestattet wird. Ausgebessert wird vom Nationalrat eine Panne, die beim Beschluss der Transparenzregeln passiert ist. Die Offenlegungsregeln für die Nebenjobs der Parlamentarier wurden nämlich so formuliert, dass ausgerechnet Spitzenfunktionen als Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder nicht mehr veröffentlicht werden mussten, was nunmehr korrigiert wird.
Notfallpläne gegen Bankenpleiten
Als Lehre aus den Banken-Problemen der letzten Jahre werden am Freitag die Finanzinstitute dazu verdonnert, Sanierungs- und Notfallpläne vorzubereiten, um der Finanzmarktaufsicht ein früheres Eingreifen zu ermöglichen. Attraktivieren will der Nationalrat die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge, indem eine Bandbreitenregelung die bisher vorgeschriebene Mindestaktienquote ersetzt, um das Risiko zu senken.
Auch sonst findet sich noch einiges Relevantes in den drei Tagesordnungen, etwa Fragestunden mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP), Gefängnisstrafen für Unternehmer, die Fleisch ohne vorschriftsmäßige Untersuchung in Verkehr bringen, eine Atomstrom-Kennzeichnung sowie die Möglichkeit, Unis zu fusionieren bzw. medizinische Fakultäten an Universitäten zu etablieren, was den entsprechenden Plänen in Linz entgegenkommt.
Väterrechte im orangen Fokus
Zum Auftakt der letzten regulären Plenarwoche der Legislaturperiode wurde eine Aktuelle Stunde abgehalten, für die vom BZÖ das Thema Väterrechte ausgewählt wurde. BZÖ-Chef Josef Bucher forderte ebenso die Umsetzung der automatischen gemeinsamen Obsorge wie die Freiheitlichen. Auch das Team Stronach will die Väterrechte stärken, während SPÖ und Grüne vergeblich auf Unterhalt wartenden Müttern Verbesserungen zugestehen wollen.
Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) wiederum ist ganz zufrieden mit dem Status quo, habe man doch erst vergangenen Dezember ein Kindschafts- und Namensrechtspaket verabschiedet, das den veränderten familiären Strukturen Rechnung trage. Die Ressortchefin verwies darauf, dass die Obsorgeregeln mittlerweile Müttern und Vätern gleiche Rechte und Pflichten zugestünden. Es gebe zudem die Möglichkeit, auch bei strittigen Fällen beide Elternteile mit gemeinsamer Obsorge zu betrauen, was nach Meinung Karls auch zum Regelfall werden dürfte.
Bucher hatte davor geklagt, dass vielen Vätern nach Scheidungen ein Leben mit einer neuen Partnerin finanziell verunmöglicht werde. Unterhaltsleistungen müssten daher auf 50 Prozent des Einkommens begrenzt werden. Zusätzlich müsse es zu einer Anhebung des Existenzminimums kommen. (TT.com, APA)