Kunst

Wege, die zum Bleiben locken

Um sich auf die Brücken von Dietmar Feichtinger näher einzulassen, muss der Besucher des Innsbrucker aut. architektur und tirol durch knöcheltiefes Wasser waten.

Von Edith Schlocker

Innsbruck –Brücken sind zwar primär dazu da, um trockenen Fußes von einem Ufer zum anderen zu kommen. Um sich die Modelle, Fotos, Pläne und Videos der Brücken von Dietmar Feichtinger im Innsbrucker aut anzuschauen, muss man allerdings knöcheltief durch Wasser waten. Was bei sommerlichen Temperaturen nicht nur angenehm ist, sondern auch wunderbare Spiegelungen an die Wände zaubert, das Tempo automatisch bremst.

Fragt man den seit vielen Jahren in Paris lebenden steirischen Architekten Dietmar Feichtinger, wie viele Brücken er gebaut hat, muss er lange nachdenken. Es sind jedenfalls viele und jede ist anders. Abhängig vom Ort, für den sie konzipiert ist, für die Funktion, ihre Geschichte. Trotzdem will sich der 52-Jährige nicht das Etikett des Brückenbauers umhängen lassen. Sind für ihn Brücken doch viel mehr als pragmatische Überbrückungen. Weniger Wege als ganz besondere Orte zum Verweilen, fast exterritoriale Oasen in der Stadt, an denen Himmel, Luft und Wasser völlig anders wahrgenommen werden, so Feichtinger.

Die 15 Brücken, die Feichtinger im aut präsentiert, zeigen eindrucksvoll, mit wie viel Empathie sich der Architekt auf die jeweilige Situation einlässt. Und das ohne jedes Pathos, wie es viele Brücken von früher so an sich haben. Denn was Feichtinger interessiert, ist die höchstmögliche Reduktion der Mittel, was eine subtile ästhetische Raffinesse der Konstruktion nicht ausschließt. In der Annäherung an ein Projekt arbeitet Feichtinger gern mit strukturellen Modellen, von denen er einige ins aut mitgebracht hat. Ergänzt durch 1:1-Detailpläne der jeweiligen Brücken, wodurch ihre reale Maßstäblichkeit für den Ausstellungsbesucher schön nachvollziehbar wird.

Internationales Aufsehen hat Feichtinger 2006 durch seine „Passerelle Simone de Beauvoir“ erregt, eine schmale Fußgängerbrücke über die Seine in Paris. Konzipiert als raffinierte Kombination aus Bogen- und Hängebrücke, die in einem einzigen, ineinander verzahnten Doppelschwung die neue französische Nationalbibliothek mit dem Park von Bercy verbindet. Mit ihrer Länge von 304 Metern ist diese Brücke relativ klein, jedenfalls im Gegensatz zur fast zwei Kilometer langen zum legendären Mont St. Michel, die derzeit gerade im Entstehen ist. Angelegt als fragiler Steg, der auf seinen 134 zarten Stützen aus Stahl fast zu schweben scheint. Je nach Ebbe oder Flut hoch oder nur knapp über der Wasseroberfläche.

Brücken haben oft eine symbolische Anmutung. Auch die 235 Meter lange über den Rhein, die seit 2007 für Fußgänger einen Bogen zwischen Deutschland und Frankreich spannt. Feichtinger lässt sich allerdings für jeden Ort etwas anderes einfallen. So ist etwa die Brücke, die das alte Hafenbecken von Gent überspannt, beweglich. Und für Fußgänger und Radfahrer selbst dann zu überqueren, wenn sie sich „aufbäumt“, um Schiffe unter ihr passieren zu lassen.

Fast expressiv kommt dagegen die Brücke daher, die Feichtinger im Pariser Stadtviertel La Defense gebaut hat. Als „Ort zum Anhalten“, der geprägt ist vom menschlichen Maß im Gegensatz zur brutalen Monumentalität der zeitgenössischen Architektur rundum.

Zwei Wettbewerbe für Brücken in Österreich hat Dietmar Feichtinger nicht gewonnen. Als Hochbauer hat er allerdings in seiner alten Heimat so manche Zeichen gesetzt. Wie bei den Brücken geht es ihm auch hier um kommunikative Orte, vorgeführt parallel zur Innsbrucker Schau im Haus der Architektur in Graz.