Im Westen des Karwendels
Sie ist abwechslungsreich und wunderschön, die Bergtour auf die Nördlinger Hütte oberhalb von Reith bei Seefeld. Und wer will, kann noch einen Gipfel mitnehmen - garantiert ohne Schneekontakt.
Von Irene Rapp
Reith bei Seefeld –Der heurige Sommer hat vielen Hüttenwirten wettertechnisch schon zu schaffen gemacht. Gabriele Glabonjat, Hüttenwirtin der Nördlinger Hütte im Karwendel, eröffnete den Betrieb zum Beispiel so spät wie noch nie in den vergangenen zwölf Jahren – so lange ist die Innsbruckerin nämlich bereits auf dem auf 2238 Metern höchstgelegenen Schutzhaus des Karwendels im Einsatz.
Auf dem Weg zur gleich hinter der Hütte gelegenem Reither Spitze (2374 m) erinnern jedoch noch Schneefelder – die man nicht queren muss –, dass sich der „Winter“ heuer nicht geschlagen geben will. Und auch der Blick auf die umliegenden Berge verstärkt den Eindruck: „Normalerweise ist um diese Zeit auf der Zugspitze nur noch wenig Schnee“ zeigt Glabonjat auf den gut sichtbaren, höchsten Berg Deutschlands. Und heuer? Da präsentiert sich die 2962-Meter-Erhebung noch ganz weiß – so wie viele andere umliegenden Gipfel.
Doch zurück zur Bergtour: Am gestrigen Mittwoch ging es von der Ortsmitte von Reith aus hinauf auf die Nördlinger Hütte, dann weiter auf die Reither Spitze. Eine Bergtour, die man aufgrund der traumhaften Beschilderung gar nicht beschreiben müsste, weil man sich nie vergehen kann (alle Infos Factbox).
Daher zunächst ein paar Impressionen: Gleich zu Beginn geht es sehr steil los, doch keine Angst, das ist nur ein kleiner Stich. Dann zieht sich der Weg in angenehmer Steigung längere Zeit durch einen schönen Wald bergauf – und hier befindet man sich eindeutig im Reich der Ameisen: Denn immer wieder kann man beeindruckende Bauten der winzigen Insekten entdecken – angeblich soll ein Wald ja gesund sein, wenn dort viele Ameisen anzutreffen sind.
Immer wieder öffnen sich auch Ausblicke aufs Tal und je weiter man hinauf kommt, desto interessanter werden diese: Vom Wipptal über die Stubaier Alpen bis ins Oberinntal und hinaus zur Zugspitze kann der Blick schweifen, der auch schön ist, wenn so – wie am gestrigen Mittwoch – die Sicht nicht ganz ungetrübt ist.
Wenn sich dann der Wald öffnet und man sich ins Latschengelände begibt, nimmt auch die Landschaft, die dann durchquert wird, interessante Formen an: Denn dann bewegt man sich quasi in einem Kessel am Westhang vom Rauhenkopf und gelangt bald zum Alpengasthof Schartlehner, das laut seiner äußeren Optik schon seit vielen Jahren geschlossen zu sein scheint. Von diesem Kessel aus kann man schon die Nördlinger Hütte erkennen, doch zum Glück: Der Weg ist nicht so weit, wie er aussieht.
Gabriele Glabonjat ist übrigens eine Hüttenwirtin-Quereinsteigerin: Die einstige Büroangestellte und dreifache Mutter half früher auf der Nördlinger Hütte aus. Als der damalige Pächter in Pension ging, fragte er sie, ob sie sich nicht ein Leben als Wirtin vorstellen könnte. „Ich sagte ja – und seit 2002 bin ich hier heroben. Das ist wie Urlaub für mich“ erzählt Glabonjat. Ihrem Ehemann kann sie zuwinken: Denn der ist auf der anderen Talseite am Rangger Köpfl in Oberperfuss für zwei Gasthäuser zuständig.
Zurück zur Tour: Nach dem Schartlehner-Haus geht es durch Latschengelände bergauf, doch der Blick schweift nicht nur in die Ferne, sondern auch zu den am Wegrand wachsenden Blumen – u. a. wunderbar duftenden rosafarbenen Blümchen, deren Namen – ich gestehe – leider nicht weiß, Platenigl, Alpenrosen u. s. w. Spätestens wenn sich jedoch das erste Mal der Blick auf die ostseitigen Karwendelberge öffnet, bleibt man länger stehen, um zu staunen über dieses wilde, zerklüftete, graue Reich.
Bei der Nördlinger Hütte angelangt, kann man noch die Reither Spitze mitnehmen – eine halbe Stunde ist laut Wegweiser dafür zu veranschlagen. Der teilweise seilversicherte Weg erfordert Trittsicherheit, dafür bietet sich oben noch ein besserer Blick auf die schneebedeckten Berge. Apropos Schnee: In der Hütte hängt ein Foto aus dem Jahr 1999 – da kann man das Gebäude nur noch aufgrund der Umrisse erkennen, so viel Schnee liegt darauf.