Morales-Eklat zeigt: Europa geht vor den USA in die Knie
Der Zwangsstopp von Boliviens Präsident Evo Morales in Wien zeigt, dass sich US-Aufdecker Edward Snowden von den EU-Staaten keine Hilfe erwarten darf.
Von Simon Hackspiel
Wien – Die USA jagt Edward Snowden. Und offenbar hat der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter noch einige pikante Details über das „Prism“-Spionageprogramm der NSA (National Security Agency) in der Hinterhand. Denn die US-Behörden setzen derzeit alle Hebel in Bewegung, um den „Whistleblower“ zu fassen.
So führte in der Nacht auf Mittwoch das Gerücht, dass Snowden an Bord der Maschine von Evo Morales sein könnte, dazu, dass Frankreich, Spanien, Portugal und Italien dem bolivianischen Präsidenten den Überflug nicht genehmigten. Auch wenn alle Staaten, bis auf Italien, im Laufe des Mittwoch die angeblichen Luftraumsperren dementierten. Nicht zu bestreiten ist aber, dass Morales 13 Stunden am Flughafen Wien-Schwechat festsaß - und das wohl kaum freiwillig. Erst nach einer angeblichen „freiwilligen Nachschau“ durch die Flughafenpolizei durfte der Jet wieder Richtung La Paz abheben.
Eine höchst außergewöhnliche Maßnahme und der Beweis dafür, dass sich einige der größten EU-Staaten in der Causa offensichtlich von den USA dirigieren lassen. Ob nur die Angst vor möglichen politischen oder wirtschaftlichen Konsequenzen durch die Supermacht ausschlaggebend dafür war, oder ob womöglich auch Eigeninteressen der EU-Staaten dahinterstecken, wenn es um die Ergreifung Snowdens geht, sei dahingestellt.
Jedenfalls wirkt die Empörung des französischen Präsidenten Francois Hollande und anderer EU-Staatschefs darüber, dass die NSA auch EU-Institutionen und -Bürger ausspioniert hat, jetzt wie Heuchelei. Wenn die Aufregung darüber wirklich so groß wäre, würde man sich nicht derart rasch dem Druck der USA beugen, sondern die eigenen Prinzipien voranstellen. Mit dem Zwangsstopp für Morales haben zumindest Paris, Rom, Madrid und Lissabon ihre wahren Gesichter in dem diplomatischen Katz-und-Maus-Spiel um Snowden gezeigt.
Schließlich haben sie mit ihren Überflugs-Verweigerungen nicht nur Morales brüskiert, sondern auch riskiert, dass sich die Beziehungen zu den Bolivien-loyalen Staaten Lateinamerikas verschlechtern. Ecuadors Staatschef Rafael Correa und seine argentinische Kollegin Cristina Fernandez de Kirchner wollen sich das „imperialistische Auftreten“ jedenfalls nicht gefallen lassen und beriefen sogleich eine Krisensitzung des südamerikanischen Staatenbundes UNASUR ein. Auch Staaten wie Peru, Venezuela oder Nicaragua schlossen sich der massiven Kritik an. Morales selbst sagte, die verantwortlichen Länder hätten einen „historischen Fehler“ begangen. Es habe sich um eine Provokation gegenüber allen Ländern der Welt gehandelt, die sich nicht den USA unterordnen wollen.
Die große Frage bleibt: Welches Land legt sich nun tatsächlich mit der Supermacht USA an und gewährt Edward Snowden Asyl? Seit mehr als einer Woche soll er sich nun bereits im Transitterminal des Moskauer Flughafens aufhalten und es sieht danach aus, als würde dieser Zustand noch länger andauern. Nach dem Eklat um Evo Morales ist für Snowden aber wohl endgültig klar, dass er aus Europa keine Hilfe zu erwarten hat.