Streetartisten, die der Rebellion entwachsen sind
Dass Streetart durchaus salonfähig geworden ist, beweisen die 15 Beispiele „Urbaner Folklore!“, die im Kunstraum Innsbruck zu sehen sind.
Von Edith Schlocker
Innsbruck –Die ehemals verpönte Streetart ist längst salonfähig geworden. Auch wenn oft pubertär anarchistisches Aufbegehren gegen die Gesellschaft am Beginn der Karrieren von Streetartisten steht, nicht zuletzt auch der Reiz des Verbotenen. Die meisten von ihnen steigen recht bald aus der Szene wieder aus, nur wenige werden professionelle Künstler. Besuchen Akademien, suchen neben dem öffentlichen Raum auch geschützte museale oder galeristische Orte.
Wie den Kunstraum, der der „Urban Folklore!“ von 15 Künstlern aus aller Welt gewidmet ist. Um die riesige Breite des Formalen, Technischen und Inhaltlichen aufzuzeigen, das nicht zuletzt geprägt ist von lokalen volkskünstlerischen Traditionen. Womit sich auch der auf einen ersten Blick eigenartig daherkommende Titel der Schau erklärt.
Etwa die Bilder und Puppen des Brasilianers Vitché. Gemacht aus vorgefundenen Materialien, spielend mit archaischen Zeichen, die gesellschaftspolitisches Bewusstsein signalisieren. Um trotzdem recht harmlos im Gegensatz zu seinen wirklichen Streetart-Projekten daherzukommen: etwa einem quer über eine Straße von São Paulo gelegten Baumriesen, in den der Künstler eine große „blutende“ Wunde geschnitten hat.
Freche Kommentare zur brasilianischen Wirklichkeit hat Os Gemêos auf Leinwände gemalt, die Masken des Amerikaners A. J. Fosik dürften mit Ironie aufgeladene Porträts von wem auch immer sein. Die Ästhetik japanischer Mangas inspiriert die Französin Koralie zur ihren detailverliebten Figurationen, SupaKitch flechtet aus Haaren die Worte „Wild“ und „Sweet“. In ihrer Mustrigkeit fast jugendstilig muten die Arbeiten von Herbert Baglione an, volkskünstlerische Zitate tauchen in den Arbeiten der Künstler aus Myanmar immer wieder auf.
Als Graffiti-Künstler nennt sich Mirko Reisser „DAIM“. Inzwischen ist er 42 und der jugendlichen Phase der Rebellion entwachsen. Trotzdem liebt er nach wie vor die Eroberung des öffentlichen Raums, allein schon des Formats wegen. Das Graffiti an der Stirnwand des Kunstraums ist allerdings kein wirkliches. Ist es doch nicht gesprayt, sondern nach einem exakt festgelegten Plan per Klebestreifen realisiert. Kreisend um die Schriftzeichen seines Pseudonyms, das an der Wand zu explodieren scheint. Daneben hängen zwei klassische Malereien, die ähnliche Inhalte haben und doch so ganz anders sind.
Die Zeichenhaftigkeit von Graffitis transformiert Daniel Man ins Skulpturale, reizvoll spielend mit Ambivalenzen unterschiedlichster Art. Mit einer Reihe von Siebdrucken ist der Amerikaner Shepard Fairey präsent. International bekannt geworden ist der 43-Jährige mit seinem ikonischen Plakat „HOPE“, mit dem er sich 2008 für die Wahl Obamas starkgemacht hat. Ob der Kämpfer für Frieden, Demokratie und gegen den Überwachungsstaat das heute wieder tun würde, sei dahingestellt.