Mega-Prozess stellt Provinzstadt vor große Herausforderungen
In Ried im Innkreis steigt ab 10. September der Mordprozess gegen den ehemaligen Polizeichef von Guatemala, Javier Figueroa. Er soll an der Erschießung von sieben Häftlingen beteiligt gewesen sein.
Ried im Innkreis/Guatemala-Stadt - Am 10. September beginnt im Landesgericht Ried in Oberösterreich der Mordprozess gegen den ehemaligen stellvertretenden Polizeichef von Guatemala, Javier Figueroa. Ihm wird vorgeworfen, in seinem Heimatland an der Exekution von sieben Häftlingen ohne rechtsstaatliches Verfahren beteiligt gewesen zu sein. Er ist nicht geständig, es gilt die Unschuldsvermutung. Für das Gericht ist der Mega-Prozess eine organisatorische Herausforderung.
Laut Anklage soll Figueroa einer schwer bewaffneten Gruppe angehört haben, die am 25. September 2006 sieben Häftlinge in Guatemala erschossen hat. Die Getöteten sollen auf einer „Todesliste“ gestanden sein, weil sie dem früheren Politregime im Weg waren. Die offizielle Version lautete, dass die Gefangenen die Anstalt eingenommen, sich mit Schusswaffen gegen die Polizei gewehrt hätten und schließlich im Kampf zu Tode gekommen seien. Tatsächlich waren sie laut Staatsanwaltschaft aber unbewaffnet, seien gezielt gesucht, zum Teil ausgezogen und dann aus kurzer Distanz hingerichtet worden.
2007 nach Österreich geflüchtet
Eine eigens nach dem Regimewechsel mit Unterstützung der UNO gegründete Sonderstaatsanwaltschaft verfolgt die Verantwortlichen seit Jahren weltweit. Derzeit laufen in Spanien und in der Schweiz Verfahren gegen den früheren Innenminister und gegen den direkten Vorgesetzten Figueroas. Auch der ehemalige Leiter des Gefängnisses und 14 weitere Ex-Regierungsfunktionäre sind angeklagt. Figueroa, der 2007 mit seiner Familie nach Österreich geflüchtet war und zuletzt mit Asylstatus im Innviertel lebte, wurde im Mai 2011 festgenommen. Eine Auslieferung nach Guatemala lehnte das Oberlandesgericht ab, weil dort kein faires Verfahren zu erwarten sei.
Für das Landesgericht Ried stellt der Prozess eine große Herausforderung dar: Zwölf Verhandlungstage innerhalb von fünf Wochen sind anberaumt. Ein Richter wurde bereits jetzt freigestellt, um sich auf das Verfahren vorbereiten zu können. Zumindest zum Auftakt wird die Polizei verstärkt präsent sein. Neun Zeugen aus Guatemala sollen in der Verhandlung aussagen - falls sie bereit sind, dafür nach Österreich zu kommen. Zahlreiche weitere wurden per Videokonferenz einvernommen, über 50 Stunden an Material liegen vor. Rund 10.000 Seiten an Erhebungsergebnissen mussten übersetzt werden, bis zu sieben Dolmetscher waren damit beschäftigt. Zudem fanden mehrere Koordinierungstreffen mit Vertretern der Sonderstaatsanwaltschaft sowie mit Ermittlern aus der Schweiz und Spanien statt, der Akt wurde zur Gänze digitalisiert. (APA)