Unwürdiger Streit

Während Mandela im Sterben liegt, streitet Familie um Macht und Geld

Fast vier Wochen schon ringt Nelson Mandela mit dem Tod. Täglich kommen Angehörige an das Krankenbett des Nationalhelden Südafrikas. Doch in der Familie tobt ein erbitterter Streit um Ruhm und Geld.

Von Laszlo Trankovits

Kapstadt – Das Königshaus der Themba ist empört. Dem Ansehen des größten Sohnes dieses Volkes, Nelson Mandela, werde durch „den Zank in der Mandela-Familie“ großer Schaden zugefügt, klagte der Vertreter des Königshauses, Häuptling Thanduxolo Mtirara, im Radio. Er kritisierte scharf den „mangelnden Respekt“ vor den Toten der Familie - und vor allem vor Südafrikas schwer krankem Nationalhelden. „Wir glauben, dass das Vermächtnis des alten Mannes beschädigt wird.“

Der seit Wochen befürchtete Tod Mandelas war der Auslöser für einen inzwischen erbittert und öffentlich geführten Streit in der Familie. Im Vordergrund stehen Differenzen über die Grabstätte des Friedensnobelpreisträgers. Doch es geht auch um Macht, Ruhm und Millionen.

„Dauerhafter vegetativer Zustand“

Dabei scheint der Zustand Mandelas ernster zu sein, als bisher bekannt wurde. Die Ärzte des todkranken früheren südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela haben seiner Familie laut Gerichtsdokumenten von vergangener Woche geraten, die lebenserhaltenden Geräte im Krankenhaus abzuschalten. Mandela befinde sich in einem „dauerhaften vegetativen Zustand“ und werde künstlich beatmet, heißt es in dem Dokument, das der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag in Kopie vorlag.

Die Erwartung seines „baldigen Todes“ sei ernsthaft begründet. Die Familie Mandelas erwäge diese Option, um die Leiden des 94-Jährigen nicht zu verlängern.

Unwürdiger Streit

Der unwürdige Streit in der Mandela-Familie beunruhigt nicht nur die Themba, die zur Volksgruppe der Xhosa gehören. Auch die Regierung und Millionen von Südafrikanern verfolgen erschrocken den Familienzwist, der offen vor Gericht und vor den Kameras und Mikrofonen der internationalen Medien ausgetragen wird. Auch am Mittwochabend waren sie dabei, als der Sheriff in Mvezo gewaltsam mit einer Axt das Tor zum Anwesen von Mandelas Enkel Mandla öffnete.

Mandla Mandela ist hier in Mvezo, tief in der Provinz Ostkap, wie einst sein Großvater traditioneller Führer des pittoresken Dorfes. Der Politologe ist der Einzige in der Familie, der in die Politik ging und Abgeordneter der Regierungspartei ANC wurde. Wohl auch deshalb bekam der 38-Jährige Zugriff auf staatliche Investitionen. Straßen wurden gebaut, ein Hotel, eine Unterkunft für Rucksackreisende, ein Museum und Lokale. Besitzer ist eine Staatsstiftung, Vorsitzender Mandla Mandela.

Gräber als Attraktion?

Die Attraktion der Anlage sollte einmal die Grabstätte Nelson Mandelas werden, in dem Dorf, in dem er am 18. Juli 1918 geboren wurde. Mandla Mandela hat seinen Traum von einer zentralen Mandela-Gedenkstätte, die für viele Jahre einen Strom von Pilgern und Touristen anlocken würde, fast verwirklicht. Allerdings will seine Familie nicht, dass der frühere Freiheitskämpfer dort beerdigt wird.

Auch der Führungsanspruch in der Familie, das Recht für die Mandelas zu sprechen, wird dem ältesten männlichen Mitglied streitig gemacht. Nelson Mandela verdiene Besseres, „als dass sein Name durch den Schmutz gezogen wird“, kommentierte die „Cape Times“ böse.

Am Mittwochabend nun rückte die Polizei in Mvezo an. Das Oberste Gericht der Provinz hatte dem Antrag von 16 Mandela-Angehörigen stattgegeben. Die sterblichen Überreste von drei gestorbenen Kindern Mandelas – Thembekile, Makaziwe und Makgatho – müssen demnach in ihre früheren Gräber in Qunu zurückgebracht werden.

Leichen exhumiert und in Mvezo erneut begraben

Mandla Mandela hatte 2011 eigenmächtig die Leichen in Qunu, dem Ort, in dem Mandela viele Jahre lebte, exhumieren und in Mvezo beisetzen lassen. „Ärgerlich und skandalös“ nannte Richter Lusindiso Pakade diese Aktion.

Die Nacht- und Nebel-Aktion hatte offenbar nur ein Ziel: Der greise Mandela, der stets betont hatte, er wolle einmal neben seinen engsten Angehörigen begraben werden, sollte seine letzte Ruhe in Mvezo finden. Mandla Mandela beteuert, nur im Sinne seines Großvater gehandelt zu haben. Der 38-Jährige beschuldigte die übrige Familie, aus Geldgier gegen ihn vorzugehen.

Die Lage ist verworren. Denn niemand scheint eine verbindliche Willenserklärung Mandelas zu haben. Die Wochenzeitschrift „Mail & Guardian“ zitierte Mandela und schrieb, er habe sich 1996 klar für Qunu ausgesprochen. Mandelas Familie – drei Kinder, 17 Enkelkinder und zwölf Großenkel – ist uneins.

Zank ums Millionen-Erbe

„Mein einziges Gebet ist das für eine gemeinsame Stimme, dass unsere Familie in eine Richtung geht. Nur dieses eine Mal“, twitterte der „Times“ zufolge Mandelas Enkelin Zoleka Zobuhle jüngst.

Mandla Mandela warf seinen Verwandten vor, sie wollten nur Zugriff auf den Familienbesitz. Der Ex-Präsident hatte vor allem mit Büchern und Andenken ein Millionenvermögen angehäuft. Das meiste Geld floss in eine Stiftung und in zwei Nelson-Mandela-Fonds. Den Zugang zu diesen Geldern wollten im Frühjahr seine Töchter Zenani (54) und Makaziwe (60) vor Gericht durchsetzen. Ziel war es auch, die Treuhänder ihres Vaters, die Anwälte Bally Chuene und George Bizos, sowie Wohnungsbauminister Tokyo Sexwale, zu entmachten.

Schon lange wird mit dem Namen Mandela viel Geld gemacht. Seine Stiftung nimmt Millionen ein. Es gibt Mandela-Poster, Andenken und Kunstgewerbe mit seiner Unterschrift, einen „Mandela-Wein“ und ein Mode-Label mit seiner Häftlingsnummer 46664 von der Gefängnisinsel Robben Island, wo Mandela lange Jahre gefangen war.

Wenn er einmal tot ist, rechnen alle mit einem schwunghaften, profitablen Handel mit Devotionalien für viele Jahre. Und wer im Namen Mandelas sprechen dürfte, hat zumindest in Südafrika enormen Einfluss. (dpa)