Natur

Gutachter schuld an Hangrutsch

Der Hangrutsch der Stanglwirt-Aushubdeponie war keine höhere Gewalt. Wegen fahrlässiger Gemeingefährdung wurde gestern der private Projektgutachter am Bezirksgericht verurteilt.

Von Reinhard Fellner

Kitzbühel, Going –Wegen fahrlässiger Gemeingefährdung wurde gestern am Bezirksgericht Kitzbühel der private Projektgutachter der Stanglwirt-Aushubdeponie verurteilt. Die Strafe betrug 2800 Euro. Zusätzlich wurden der Gemeinde Going 5000 Euro Schadenersatz und diversen Versicherungen schon Teilschadenersatzbeträge vor den anstehenden Zivilprozessen wegen des kolportierten Millionenschadens zugesprochen.

Über die übrigen drei Angeklagten, Deponiebetreiber Manfred Riedmann, einen Landesgeologen und Stanglwirt-Geschäftsführer Richard Hauser ergingen hingegen Freisprüche (das gesamte Urteil ist nicht rechtskräftig).

Richter Georg Vorhofer gründete das differenzierte Urteil für den Goinger Hangrutsch vom 6. Juli 2011 auf das Gutachten des geologischen Sachverständigen und Zeugenaussagen.

Demnach habe sich die Nichteinhaltung der Gutachtensauflagen nicht ausgewirkt, da sie fast ausnahmslos wirkungslos gewesen wären. Die dürftigen Bodenkontrollen stießen dem Sachverständigen aber auf: „Ursache für den Hangrutsch war die viel zu große Aufschüttung in kurzer Zeit, dazu die Vibrationen. Dazu hätte es erkennbar noch ein weiteres Gutachten benötigt. Da oben wurde geschüttet wie wild und unten ist eine Siedlung – da könnte ich nicht mehr ruhig schlafen!“ Auch kam am zweiten Prozess­tag auf, dass bei der Errichtung der Deponie geschlampt wurde: So war diese ohne jegliche geologische Bauaufsicht betrieben und somit die eigentlich wichtigste Frage – ob das Gelände überhaupt für eine Deponie geeignet ist – gar nicht ausreichend kontrolliert worden.

Der Projektgutachter fühlte sich dafür trotz seiner Ausbildung als Geologe nicht zuständig. Tatsächlich wurde er auch für die Position niemals ernannt oder bestellt. Der Beamte des Umweltreferates der Bezirkshauptmannschaft nahm aber wiederum aufgrund der Qualifikation des Geologen an, dass dieser nicht nur die allgemeine, sondern auch die geologische Bauaufsicht wahrnehmen würde. Die Nicht-Kundmachung war der Behörde wiederum nicht aufgefallen, da ihr nicht einmal der Deponiebetrieb gemeldet worden war: „Dass hier schon Aushubmaterial aufgeschüttet wurde, davon hatte die BH keine Kenntnis!“

Zu einer Überprüfung der Deponie, die aufgrund des mangelhaften Gutachtens errichtet wurde, kam es deshalb nie. Richter Vorhofer zum Projektgutachter: „Ihr Gutachten war von Grund auf falsch!“ Bei den Aufschüttungen wurden laut Landesgeologen Gunther Heißel wiederum die Abstände zur Böschung nicht eingehalten – und zwar genau an der Stelle, wo es zum Abrutsch von 25.000 m³ Erdreich kam. Heißel stellte sich zudem hinter seinen mit­angeklagten Kollegen: „Wir sind keine Planer. Wir haben die Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität zu prüfen. Hier wurde jegliche Sorgfaltspflicht erfüllt.“ Freigesprochen wurde auch Stanglwirt-Geschäftsführer Richard Hauser. Er hatte für alles eigene Fachleute beauftragt und sich letztlich auf diese verlassen dürfen. Hauser zur TT: „Bei einer Verurteilung hätte ich die Welt nicht mehr verstanden!“