Sorgloser Umgang mit Pestiziden in Privatgärten
Bienengifte in der Landwirtschaft: Die Aufregung war riesengroß. Doch viele Menschen benützen offensichtlich leichtfertig hochgiftige Pestizide im eigenen Haus und Garten.
Von Michaela Spirk-Paulmichl
Innsbruck, Wien –Das eigene Gemüse aus dem Garten, die Kräuterbeete auf dem Balkon: Einem allgemeinen Trend entsprechend wurden in den vergangenen Jahren auch in Tirol zahlreiche Menschen zu Hobbygärtnern. Die gesunde Alternative zum Salat ungewisser Herkunft aus dem Supermarkt sollte es sein, das eigene Biogemüse. Doch sobald es um die Schädlingsbekämpfung geht, sind offensichtlich viele Menschen überfordert. Wer im Handel Informationen einholt, ist außerdem häufig schlecht beraten – so jedenfalls das katastrophale Ergebnis eines Einkaufstests der Umweltschutzorganisation Global 2000 bei überregionalen Anbietern (siehe Kasten rechts).
Einem der Testeinkäufer wurde sogar ein Insektizid verkauft, dessen Anwendung ab Winter EU-weit aufgrund seiner Bienengiftigkeit verboten ist – mit dem Hinweis, dass der Wirkstoff jahrelang wirksam sei. „Kein Wort darüber, dass die Anwendung im Hausgarten ab 1. Dezember unter Strafe steht und mit Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro bedroht ist“, so Global 2000.
Eine Nachfrage bei heimischen, regionalen Gärtnereien ergab, dass aber auch viele Kunden ganz bewusst nach Pestiziden fragen. „Ein Umdenken ist gefragt – bei den Märkten, aber auch bei den Konsumenten“, sagt etwa Erwin Seidemann vom Blumenpark in Völs. Laut eigenen Angaben verwendet die Gärtnerei als einzige in Tirol keine chemischen Pflanzenschutzmittel. Selbst angesetzte Knoblauchbrühe gegen Läuse und Raupen, Holunderblätter und Tomatenblätter gegen Schnecken – es gebe viele Rezepte, die mitunter sogar wirksamer als Pestizide seien. „Streut man Schneckenkorn, scheiden die Tiere im Todeskampf Eier aus und vergrößern so noch das Problem.“ Doch viele Kunden müssten für die alternativen Mittel erst sensibilisiert werden. „Manche gehen lieber den ihrer Meinung nach leichteren und direkten Weg und spritzen Chemie. Und manchen – ich sag’s ganz ehrlich – ist es einfach egal. Je giftiger, desto besser.“ So meinte etwa ein Kunde über natürliche Methoden, gegen den Rüsselkäfer anzugehen: „Mei, lass mi’ mit dem Zeug in Ruh. Gib mir das, was wirklich hilft.“ Die Philosophie des eigenen Betriebes sei es, zuerst darauf zu schauen, den alternativen Weg zu gehen. In diesem Sinne würden auch laufend Mitarbeiterschulungen stattfinden. Rezepte gebe es aber keine. Seidemann: „Es gibt eine starke Chemielobby, aber niemanden, der die Verwendung organischer Mittel unterstützt.“
Michael Jäger von der Gärtnerei Jäger in Thaur verweist auf laufende Kontrollen, ob die angebotenen Mittel zugelassen seien. „Mit dem neuen Pflanzenschutzgesetz kann man sich leicht strafbar machen.“ Seiner Meinung nach fragt etwa die Hälfte der Kunden nach Chemikalien – „die Menschen verwenden ja auch Cortison, obwohl sie wissen, dass es schädlich ist“. Doch es bringe nichts, selbst Salat anzubauen und diesen dann „niederzuspritzen“. Die andere Hälfte will Schädlinge mit natürlichen Mitteln bekämpfen und erkundigt sich auch nach Hausmitteln. Die Gärtnerei selbst setzt auf den Einsatz von Nützlingen. Jäger: „Wir arbeiten hier. Es liegt in unserem eigenen Interesse, nicht in einer Giftbrühe herumzulaufen.“
Christian Leo, Inhaber des Gartencenters Leo in Schwaz, verweist darauf, dass keine Lehrlinge, sondern nur speziell ausgebildete Verkäufer Spritzmittel verkaufen dürften. „Wir führen Pestizide, setzen aber auch immer mehr auf biologische Mittel.“ Durch strenge Verbote seitens der EU seien heute aber ohnehin nicht mehr solche „Bomben“ wie früher im Einsatz.