„Entlegenster Bezirk“ begehrt auf

Osttirol ist laut einer Studie der abgelegenste Bezirk Österreichs und europaweit unter den Schlusslichtern. Das darf nicht zum schleichenden Aussterben führen, forderten Osttiroler in einer Podiumsdiskussion.

Von Catharina Oblasser

Lienz –Wie schnell ist die nächste Stadt mit mindestens 20.000 Einwohnern erreichbar? Das verwendeten Franz Prettenthaler und Karolin Gstinig vom Grazer Joanneum Research-Institut als Kriterium für den Begriff „Abgelegenheit“. So lange wie von Osttirol aus braucht man in keiner einzigen Region Österreichs, lautet die Analyse von Prettenthaler und Gstinig. Europaweit befindet sich der Bezirk Lienz im untersten Drittel.

Diese und noch viel mehr Fakten präsentierten die Grazer Autoren in ihrer Studie „Der Wirtschaftsstandort Osttirol“ kürzlich in der Wirtschaftskammer Lienz vor großem Publikum. Die Studie ist Teil der Initiative „Vordenken für Osttirol“, die von der Wirtschaftskammer und dem früheren Chef der Durst Phototechnik, Richard Piock, getragen wird.

Dass der Bezirk so schlecht erreichbar ist, blieb indes nicht die einzige Hiobsbotschaft der Analyse. So sind zwar stolze 13,7 Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft, sie erarbeiten jedoch nur 1,3 Prozent der Wertschöpfung, erklärt Gstinig und bezieht sich auf das Jahr 2010: „Das war der niedrigste Wert in ganz Österreich.“ Nötig wäre, die Wertschöpfungskette in Richtung Kulinarik zu verlängern. Osttirols Touristiker haben mit der ausgeprägten Saisonalität zu kämpfen, sagt Prettenthaler, und ist deshalb höheren Risiken ausgesetzt. Auch die Marke Osttirol ließe zu wünschen übrig. „Die Identität ist nach außen nicht sichtbar“, meint er. Und obwohl Osttirols Wirtschaft seit dem Jahr 2000 überdurchschnittlich gewachsen ist, hat das so gut wie keine zusätzlichen Jobs geschaffen.

Diese harten Fakten ließen die Zuhörer im Wirtschaftskammersaal nicht kalt. Zum Thema Erreichbarkeit meinte Josef Steinringer: „Seit der Felbersperre sieht man, wie verletzlich unser Bezirk ist. Aber früher hat man Sachen wie den Plöcken-Ausbau oder eine Autobahn Richtung Italien verhindert.“ Die Misere sei also auch hausgemacht, meint Steinringer. Laut Prettenthaler ist eine neue Autobahn nicht unbedingt die Lösung: „Das wäre nur für die Unternehmen eindeutig positiv. Doch für den Tourismus oder die Arbeitslosenzahl wäre die Auswirkung nicht eindeutig.“ Sehr wohl von Bedeutung für den Tourismus sei aber die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln. „Man muss bedenken, dass in Städten viele junge Leute gar nicht mehr den Führerschein machen“, sagt der Experte.

Bauer Johann Stocker will die schlechte Produktivität der Osttiroler Landwirtschaft so nicht stehen lassen: „Ein Grund ist, dass die Betriebe sehr klein sind.“ Außerdem sollten sich Konsumenten darauf besinnen, mehr regionale Lebensmittel zu kaufen. „Wenn die Bauern merken, die Nachfrage ist da, dann machen sie auch was.“

Weiter ging die Diskussion mit dem Thema Bildung. Bessere Angebote seien unabdingbar, meinen die Studienautoren. „Die Osttiroler sind bildungswillig, aber wenn nichts getan wird, ist der Weg auswärts vorgezeichnet“, warnt Gstinig, selbst gebürtige Osttirolerin. Für Prettenthaler ist eine virtuelle Uni, also das Lernen über Internet, denkbar. Zuhörer Hans Rudi Huber plädiert für Ausbildungen, die in Osttirol auch gebraucht würden. „Wir können nicht am Bedarf vorbei ausbilden.“

„Vordenken“ geht nun in die nächste Phase. In neun Arbeitsgruppen soll bis 2014 ein Leitbild für die Zukunft erarbeitet werden, erklärt Richard Piock. Politiker will er allerdings nicht dabeihaben.