Gewalt in Ägypten dauert an: Koptischer Priester getötet
Im Zentrum von Kairo lieferten sich Anhänger und Gegner des gestürzten Präsidenten am Freitagabend heftige Straßenschlachten. Mindestens 30 Menschen starben, mehr als 1100 wurden verletzt.
Kairo – tDie Gewalt nach dem Sturz des demokratisch gewählten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi reißt nicht ab. Ein Attentäter erschoss am Samstag auf der Sinai-Halbinsel einen Priester der koptischen Christen, dessen Glaubensgemeinschaft die Absetzung des Islamisten Mursi durch das Militär begrüßt hatte.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte die ägyptischen Sicherheitskräfte zum Schutz der Demonstranten auf. Polizei und Militär müssten alle gewaltsamen Zusammenstöße vermeiden, erklärte Ban am Samstag in New York. Zugleich rief er das ägyptische Volk auf, „sein Recht auf Demonstrationen ausschließlich friedlich auszuüben“.
Am Freitag war es in allen Teilen des bevölkerungsreichsten arabischen Landes zu schweren Zusammenstößen gekommen, die bis in die Nacht andauerten. Dabei wurden nach offiziellen Angaben mindestens 30 Menschen getötet und mehr als 1000 verletzt. Mit Spannung wurde am Samstag auf die Ernennung des Chefs einer Übergangsregierung gewartet. Gute Chancen räumten Beobachter dem Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei ein.
Die neue Regierung soll in einer möglichst kurzen Übergangszeit die von den Militärs ausgesetzte Verfassung überarbeiten und die Neuwahl von Präsident und Parlament vorbereiten. Die Streitkräfte haben offengelassen, wie sie sich den künftigen Weg Ägyptens vorstellen, was die Gefahr einer Eskalation der Gewalt nur erhöht.
„Freitag des Zorns“
Die Anhänger Mursis hatten für einen „Freitag des Zorns“ Zehntausende Anhänger mobilisiert. Ihnen stellten sich ebenso viele Gegner entgegen. Beide Lager konnten von Sicherheitskräften nur schlecht auseinandergehalten werden. Bis in die Nacht dauerten die Auseinandersetzungen an, bei denen junge Anhänger beider Seiten mit Steinen, Messern, Brandsätzen und Knüppeln aufeinander losgingen. Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen hatten Mühe die aufgeheizte Menge zu beruhigen und benötigten dafür Stunden. Beiderseits des Nils harrten die verfeindete Gruppen auch am Samstag aus.
Die meisten Toten gab es in der Hafenstadt Alexandria am Mittelmeer: Dort kamen 14 Menschen zu Tode. Unruhen gab es auch auf der Sinai-Halbinsel. Dort wurde am Samstag der koptische Priester erschossen, nachdem am Vortag fünf Soldaten getötet worden waren. Der Angriff in Al-Arish gehöre vermutlich zu einer Reihe von Überfällen von Islamisten, die sich auch gegen vier Militärposten richteten. Der Mord an dem Priester wäre die erste religiös motivierte Attacke seit dem Sturz von Mursi am Mittwoch. Der Kopten-Papst Tawadros hatte die Amtsenthebung begrüßt und sich damit den Zorn von Mursis Muslimbruderschaft zugezogen. In Ägypten leben acht Millionen koptische Christen.(APA/Reuters/AFP/dpa)