Im Gelben Trikot nach Wien: Wahl-Innsbrucker Zoidl vor Tour-Sieg
Riccardo Zoidl übernimmt nach einer starken Leistung im Einzelzeitfahren das Gelbe Trikot. Damit ist dem Wahl-Innsbrucker der Gesamtsieg nicht mehr zu nehmen.
Podersdorf - Nach außen hin beinahe emotionslos, ohne zu jubeln, hat Riccardo Zoidl am Samstag seinen im Zeitfahren praktisch fixierten Gesamtsieg in der 65. Österreich-Rundfahrt zur Kenntnis genommen. Der 25-Jährige sicherte sich in dem vom Schweizer Olympiasieger Fabian Cancellara beherrschten 24,1-km-Zeitfahren in Podersdorf erstmals das Gelbe Trikot. Angesichts eines Vorsprungs von 33 Sekunden zweifelte niemand daran, dass Zoidl am Sonntag nach der Schlussetappe nach Wien (122 km) als erster heimischer Gesamtsieger seit Thomas Rohregger 2008 geehrt wird.
In der entscheidenden Prüfung gegen die Uhr am Neusiedlersee setzte sich Zoidl gegen seine zwei Rivalen aus dem Astana-Team klar durch. Als 15. und bester Österreicher (1:28 Minuten hinter Cancellara) übernahm er 33 Sekunden vor dem Kasachen Alexander Djatschenko (Tages-26./+1:49) und 50 vor dem seit dem ersten Tag führenden Kevin Seeldraeyers (87./+3:10) die Gesamtführung. „Ich habe ein bisschen damit spekuliert, aber jetzt bin ich sprachlos. Es war ein verdammt hartes Zeitfahren“, erklärte der Oberösterreicher.
Es galt, 52 Sekunden auf Seeldraeyers aufzuholen - und schon bei Halbdistanz zeichnete sich der Erfolg des in Innsbruck lebenden Lokalmatadors ab. „Fünf Kilometer vor dem Ziel habe ich gehört, dass ich im Gelben Trikot bin und habe nochmals Vollgas gegeben.“ Dass er als erster Österreicher seit fünf Jahren gewinnen werde, mache ihn stolz, sagte Zoidl. „Wenn man sich die Siegerliste anschaut, dann ist das schon sensationell“, erklärte der Profi des drittklassigen Gourmetfein-Wels-Rennstalls.
„Fantastische Woche für mich“
„Das war ein fantastische Woche für mich“, meinte Zoidl. Im Vorfeld habe er den Sieg nie erwartet, immerhin seien Profis von neun ProTour-Mannschaften am Start gewesen. „Es ist auch taktisch toll gelaufen, wenn auch nicht bewusst, dass ich am vorletzten Tag die Führung übernehme. Ich habe aufs Zeitfahren gewartet.“
Mit zuvor schon drei Rundfahrtsiegen (Bretagne, Ardennen, Oberösterreich) ist ihm heuer auch international der Durchbruch gelungen. Zoidl dankte seinen Teamkollegen („Ohne sie würde ich nicht so dastehen“), feiern will er aber erst nach der Zielankunft in Wien. Danach wartet ein Urlaub mit seiner Freundin auf Mallorca. Und wohl in Kürze auch die Vertragsunterzeichnung bei einem ProTour-Rennstall.
Seeldraeyers konnte seine Enttäuschung hingegen nicht verbergen. „Meine Kollegen haben die ganze Woche für mich gearbeitet, wir wollten hier gewinnen.“ Die Blessuren der Stürze am Vortag hätten ihn nicht behindert, gab der Gewinner der Bergwertung zu. „Ich konnte das Tempo bei dem starken Rückenwind auf der zweiten Hälfte nicht hoch genug halten. Immerhin habe ich zwei Etappen gewonnen.“
Weiterer prominenter Etappensieger
In Cancellara hatte die Ö-Tour nach Ex-Straßen-Weltmeister Thor Hushovd (NOR) erneut einen prominenten Etappensieger. Der vierfache Zeitfahr-Weltmeister und Olympiasieger von 2008 aus dem Team RadioShack setzte sich 22 Sekunden vor dem Italiener Marco Pinotti, dem Vorjahressieger, durch. „Es ist schon länger her, dass ich ein Zeitfahren gewonnen habe, jeder Sieg hat einen Stellenwert für mich“, sagte der achtfache Etappensieger der Tour de France.
Heuer hatte er auf die dreiwöchige Frankreich-Rundfahrt verzichtet, um sich gezielter auf die WM vorzubereiten, bei der er erstmals Gold im Straßenrennen erobern will. Er sei mit seiner Leistung und seinem Gesamtzustand zufrieden, bemerkte der 32-Jährige. „Ich wollte nicht nur mitfahren, sondern auch etwas zeigen. Das tut mir gut und es tut meinem Team gut.“
RadioShack hatte im Vorjahr in Jakob Fuglsang den Gesamtsieger gestellt, heuer hatte Rohregger als Mann für das Gesamtklassement aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen müssen. Cancellara hofft für die Österreich-Rundfahrt, dass das positive Echo auf der Suche nach Sponsoren weiterhilft. Alle hätten gesehen, welch gutes Rennen das sei. „Und Zoidl hat gewonnen, was will man mehr.“
Ergebnisse der Österreich-Radrundfahrt vom Samstag
7. Etappe (Einzelzeitfahren in Podersdorf, 24,1 km):
1. Fabian Cancellara (SUI) 27:56,58 Min. Radioshack-Leopard - 2. Marco Pinotti (ITA) BMC +22 Sek. - 3. Kristof Vandewalle (BEL) 46 - 4. Wladimir Isaitschew (RUS) Katjuscha 48 - 5. Jesse Sergent (NZL) Radioshack-Leopard 49 - 6. Sergej Tschernezkij (RUS) Katjuscha 52 - 7. Gianni Meersman (BEL) Omega-Quick Step 1:06 - 8. Gert Joeaar (EST) Cofidis 1:08 - 9. Benjamin King (USA) Radioshack-Leopard 1:13 - 10. Michel Koch (GER) Cannondale 1:15. Weiter: 15. Riccardo Zoidl (AUT) Gourmetfein Wels 1:28 - 26. Alexander Djatschenko (KAZ) Astana 1:49 - 39. Harald Totschnig (AUT) Tirol Cycling 2:11 - 65. Andreas Hofer (AUT) Team Vorarlberg 2:42 - 87. Kevin Seeldraeyers (BEL) Astana 3:10
Gesamtwertung:
1. Zoidl 25:09:37 - 2. Djatschenko +33 Sek. - 3. Seeldraeyers 50 - 4. Tschernezkij 53 - 5. Dries Devenyns (BEL) Omega-Quickstep 1:20 - 6. Petr Ignatenko (RUS) Katjuscha 1:24 - 7. Matthew Busche (USA) RadioShack 1:45 - 8. Fabio Aru (ITA) Astana 2:19 - 9. Nicolas Edet (FRA) Cofidis 2:32 - 10. Matija Kvasina (CRO) Gourmetfein Wels 3:31. Weiter: 21. Paul Lang (AUT) WSA 11:02 - 22. Hans-Jörg Leopold (AUT) WSA 11:13 - 27. Harald Totschnig (AUT) Tirol Cycling 13:48 - 32. David Wöhrer (AUT) Tirol Cycling 19:17