Beach-Party auf Katholisch
Wie tritt ein Mann, der für seine Bescheidenheit bekannt ist, vor Millionen Menschen auf? Der neue Papst Franziskus gibt die Antwort am Donnerstag an der weltberühmten Copacabana.
Rio de Janeiro –Als „katholisches Woodstock“ werden die Weltjugendtage oft bezeichnet, weil sie den Charakter von Festivals annehmen. Sie gehen zurück auf eine Initiative von Papst Johannes Paul II., der ein Meister der Inszenierung war und den modernen Papstkult begründete. Seit Anfang der achtziger Jahre finden die Weltjugendtage alle zwei bis drei Jahre in einer anderen Metropole statt und ziehen Millionen Menschen an. Aus fast allen Ländern reisen zumindest kleine Delegationen an, sie beten und feiern und vernetzen sich mit Gleichgesinnten. Zu den Jugendlichen, nach denen das Spektakel be- nannt ist, gesellen sich außerdem Gläubige aller Altersgruppen, Schaulustige, kirchliche Würdenträger, Journalisten und lokale Prominenz.
Papst Franziskus wird heuer an der legendären Copacabana in Rio de Janeiro mit besonderer Spannung erwartet. Es ist seine erste Auslandsreise seit seiner Wahl am 13. März. Schon in Rom aber hat der Argentinier durch seine Bescheidenheit, Volksnähe und Hinwendung zu den Armen frischen Wind in den Vatikan und die Kirche gebracht; und davon hoffen viele Teilnehmer der Weltjugendtage etwas abzubekommen.
Was Franziskus in seinen 13 öffentlichen Ansprachen in Brasilien sagen wird, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Doch selbst Kritiker wie der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff, der von Franziskus’ Amtsvorgängern öffentlich gemaßregelt worden war, erwarten vom neuen Papst wichtige Signale.
Franziskus sei „bescheiden, direkt, nah bei den Menschen und frei von Symbolen der Macht“, sagte Boff dem Tagesspiegel. Er hoffe, „dass Franziskus den Kräften in Lateinamerika Rückenwind verleihen wird, die für die soziale Gerechtigkeit kämpfen“.
Auf dem Flug nach Rio de Janeiro äußerte sich der Papst gestern besorgt über die hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern. „Die Gefahr besteht, dass durch die Krise eine ganze Generation ohne Arbeit bleiben wird“, zitierten ihn mitreisende Journalisten. Von der Arbeit hänge jedoch die Würde einer Person ab.
Passend zur sozialen Agenda von Franziskus fällt sein Besuch in eine Zeit des Umbruchs in Brasilien. Durch den Boom und die Sozialprogramme der vergangenen Jahre sind Millionen Menschen aus der Armut entkommen. Andererseits demonstrieren Angehörige der neuen Mittelschicht seit Wochen für mehr politische Mitsprache und gegen Korruption, Polizeigewalt, Misswirtschaft und steigende Lebenshaltungskosten.
Zunächst gab es keine Anzeichen, dass die Proteste auch den Papstbesuch überschatten könnten. Verschiedene Organisationen wollen aber das katholische Spektakel als Bühne für ihre Anliegen nützen. Homosexuellen- und Frauenorganisationen haben Demonstrationen angekündigt. Und die Hacker-Gruppe Anonymous forderte dazu auf, gegen die öffentlichen Ausgaben für den Papstbesuch in Höhe von umgerechnet etwa 69 Mio. Euro zu protestieren. (floo, dpa, APA)