Runter vom Schiff, rauf auf die Pedale
Bei Kreuzfahrtreisen besteht der Landgang meist aus Busausflügen oder kurzen Spaziergängen. Immer beliebter werden jetzt Radtouren, aber muss es gleich Manhattan sein? Ja! Die Tour zu Central Park, Times Square und Brooklyn Bridge ist ein Erlebnis – und einen netten Nebeneffekt hat die Strampelei auch.
Eines kann ich euch jetzt schon sagen: Das wird ein verdammt cooler Tag. Und wenn ihr heute Abend zurück an Bord kommt, dann habt ihr garantiert das breiteste Grinsen auf eurem Gesicht.“ Eine klare Ansage. Aber Willi Wall muss es ja wissen. Schließlich hat er als Biking Manager seiner Reederei diese Tour schon einige Male begleitet.
Runter vom Kreuzfahrtschiff und rauf aufs Fahrrad – so lautet das Motto an diesem Tag. „Manhattan per Bike“ steht auf dem Programm. Was werden die kommenden acht Stunden bringen? Einen spektakulären Kick, einen Parforce-Ritt durch die Häuserschluchten des Big Apple, eine normale Stadtrundfahrt statt auf vier eben auf zwei Rädern oder vielleicht einfach ein ganz besonderes Erlebnis? In jedem Fall eine 45 Kilometer lange Soft-Tour, die für einen durchschnittlich trainierten Hobby-Radler gut machbar ist. Angenehmer Nebeneffekt: Das eine oder andere Kilo Hüftgold, das sich während der Kreuzfahrt angesammelt hat, geht verloren.
Kurze technische Einweisung in das bordeigene Sportgerät, und los geht‘s direkt vom Pier 88 am Hudson River in Richtung Columbus Circle und Central Park. Fünf Gruppen mit jeweils 14 Mann inklusive zwei Betreuern, das dürfte überschaubar bleiben. Darf man sich im Einbahnverkehr der grünen Lunge Manhattans ganz der generationenübergreifenden Idylle der schwitzenden Jogger und herumhüpfenden Eichhörnchen hingeben, so ist damit abrupt Schluss, als die Gruppe in das pulsierende Leben der Fifth Avenue abbiegt.
Mit traumwandlerischer Sicherheit schlängelt Wall die Gruppe an den unzähligen Yellow Cabs und schweren Lincoln-Limousinen vorbei, von einer Sehenswürdigkeit zur anderen. Eine Pause am Rockefeller Center, ein längerer Stopp direkt am Times Square, der sich hervorragend als Parkplatz für Fahrräder eignet.
Zu glauben, ein auf einem Kreuzfahrtschiff gebuchter Fahrradausflug wäre eine kostengünstigere Alternative zu einem der konventionellen Busausflüge, ist allerdings ein Trugschluss. So darf der Urlauber bei Aida Cruises für den Fahrradritt durch Manhattan immerhin 90 Euro auf den Tisch legen. „Sie müssen Lagerkosten, Wartung und Top-Qualität der 85 bordeigenen Räder berücksichtigen, natürlich auch die Personalkosten für unsere Guides und nicht zuletzt die Versicherung“, erklärt Clubdirektor Heiko Schliek.
Dass eine komfortable und entspannende Schiffsreise und eine sportliche Erkundung fremder Länder per Zweirad durchaus zusammenpassen, hat sich unter den Aktiv-Kreuzfahrern offenbar längst herumgesprochen. Und tatsächlich: Wer sich nicht sputet, muss sich mit einem Platz auf der Warteliste begnügen. Aber Vorsicht vor Selbstüberschätzung! Auf Touren, bei denen so manche Höhenmeter geknackt werden, kommt der Gelegenheitsradfahrer ganz schnell an seine Grenzen.
Eine stetig steigende Nachfrage nach Radtouren bei Hochseekreuzfahrten sieht auch TUI Cruises. „Das ist für alle Frischluftfans und Bewegungsbegeisterte genau das Richtige“, so eine Sprecherin. „Die Gäste können Land und Leute hautnah im Sattel erleben. Die Bike-Ausflüge sind in fast jedem Hafen ein fester Bestandteil unserer Aktiv-Angebote.“
Downhill Adventure? Nicht in Manhattan, aber auf Maui oder in Alaska können sich Gäste der Norwegian Cruise Line aufs Mountainbike schwingen. „Diese Ausflüge waren bei uns immer schon beliebt. Einen neuen Trend können wir nicht erkennen“, sagt Kevin Bubolz, Director Business Planning & Marketing. Allerdings gibt es auf der Flotte der international operierenden Kreuzfahrtreederei keine eigenen Fahrräder, die Touren organisieren Partneragenturen vor Ort. Landausflüge für unterschiedliche Zielgruppen und daher in vielen Häfen auch Radtouren anzubieten, ist auch für Costa eine erfolgreiche Strategie. Das Angebot reicht von einem Städtetrip bis zu einer Mountainbike-Tour durch bergiges Gelände.
„Hi folks, where are you coming from?“ Während der gut einstündigen Mittagspause behelmt und mit Radlerhose am Broadway entlang zu flanieren, heißt natürlich, viele fragende, aber auch durchaus wohlwollende Blicke auf sich zu ziehen.
Nach der Pause steht mit der Brooklyn Bridge eine große Herausforderung auf dem Programm. Es geht bergauf, bergab. Die Brücke will nicht enden. Die Radfahrer müssen sich den Weg mit Scharen von Fußgängern teilen. Der traumhafte Ausblick auf die Skyline von Manhattan entschädigt dafür. Den Bullen an der Wall Street zu streicheln, die Freiheitsstatue vom Battery Park aus zu bewundern, Ground Zero hautnah zu erleben – auch diese Programmpunkte werden für die radelnden Kreuzfahrtgäste nicht ausgespart.
Was, schon früher Abend? Kaum zu glauben, wie schnell sich dieser Ausflug seinem Ende nähert. Noch gute zehn Kilometer an den Piers entlang, an Joggern und anderen Radlern vorbei, dann heißt es wieder zurück aufs Schiff. Und wie sieht es mit dem von Wall am Beginn des Tages versprochenen Grinsen aus? Das könnte wirklich nicht breiter sein. (APA/dpa)