Spielerisch entlüftete Klischees

Eine neue Wohnwelt abseits abgelutschter Idyllen wurde bei Möbel Wetscher in Fügen eröffnet: ein „Chalet“, in dem traditionelles Tiroler Handwerk auf schnörkellose Internationalität trifft.

Von Edith Schlocker

Fügen –Martin Wetschers Idee vom Einrichten geht immer vom jeweiligen Menschen aus. Bedeutet ein ganzheitliches Sehen, weshalb es in einem modernen Möbelhaus auch nicht mehr Abteilungen für Schlafzimmer, Wohn- oder Kinderzimmer, Küchen oder Bäder gibt, sondern komplette Wohnwelten. Eine solche wurde vor einer Woche im Rahmen eines fröhlichen Sommerfests bei Wetscher Möbel in Fügen eröffnet. Mit einem launigen Zwiegespräch von Robert Reumann und Andreas Braun. Letzterer hatte sich genauso wie der Hausherr für den Event in einen noblen Anzug geworfen, während der Wiener Reumann für seinen Auftritt im Zillertal offensichtlich einen Trachtenjanker als passendes Outfit empfunden hat.

Ein scheinbarer Widerspruch, der ideal zum Chalet passt, das hier eröffnet worden ist. Einer Wohnwelt der Kontraste in ihrer Hybridität aus tirolischen Klischees und internationalem Flair. Zelebriert mit einem guten Schuss Ironie. Was nicht zuletzt in den Kulissen zum Ausdruck kommt, die als in pures Eisen gerahmte rohe Holzwände bzw. Scheiben aus massivem Sichtbeton daherkommen.

Ein Verschnitt, mit dem Andreas Braun, der sich an seinen Ruf als kreativ-revoluzzerischer Querdenker seit seinen Zeiten als Tirol-Werber bzw. erfolgsverwöhnter Chef der Wattener Kristallwelten längst gewöhnt hat – und dies auch sichtlich genießt. Wie er selbst wohnt, verrät er allerdings nicht. Nur so viel: Es sei ein Mix aus typisch Tyrolerischem und geradlinig Modernem.

Im Vorfeld seines Auftritts in Fügen hat sich Braun auch der Mühe unterzogen, sich von Wetscher sein ganz persönliches Wohnstilbild ermitteln zu lassen. Um nun zu wissen, dass sein Wohntyp „Protest mit Tendenz zu Kompetenz“ ist. Was immer das auch bedeuten mag.

Möbel Wetscher ist für Braun so etwas wie eine „exterritoriale Oase“, ein Wall gegen die „ubiquitäre Geistlosigkeit“ in Tirol. Um anzukämpfen gegen den scheinbar unausrottbaren Erwartungs- und Erfüllungsfolklorismus, wie ihn der Ötztaler Mahner Hans Haid seit Jahrzehnten unermüdlich anprangert. Wohnen sei jedenfalls ein interessanter Spiegel der Gesellschaft, glaubt Andreas Braun, der sich freut, dass die in Fügen vorgeführten neuen Wohnwelten so erfreulich abseits abgelutschter Idyllen angesiedelt sind.

Was nicht heißt, dass ganz auf tirolische Klischees verzichtet wird, die hier allerdings erfrischend spielerisch entlüftet sind. Um zum stimmigen Teil eines höchst heterogenen Ganzen zu werden. Wenn etwa der klassische Lounge Chair von Charles und Ray Eames neben einem Paravent steht, der für alle sichtbar aus den Türen eines alten Bauernhauses gemacht ist. Die Platte des riesigen Esstischs im Wetscher Chalet stammt dagegen aus einer italienischen Manufaktur und ist mehrere Millionen Jahre alt. Die massive und völlig unbehandelte Platte des niedrigen Sofatischs wurde wiederum in der hauseigenen Tischlerei hergestellt. In einer Formensprache, die minimalistisch klar ist, allein durch die Wahl der Materialität heimatliches Flair versprüht.

„Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch“, sagt Martin Wetscher, „die gute Mischung, das Wie, letztlich um Identität.“ Da muss der naturbelassene Teppich aus Schafwolle durchaus kein Kontrast zum opulent gepolsterten Bett sein, auf dem sich edle Textilien italienischer Provenienz türmen. Ihre Farbigkeit ist generell zurückgenommen, entwickelt sich rund um noble Grau- und Schlammtöne.

Das derzeit im Erdgeschoß eingerichtete Fügener „Chalet“ soll laut Martin Wetscher in den kommenden Monaten weiter ausgebaut werden und in jenen Teil des Hauses übersiedeln, wo sich jetzt bereits die Wohnwelten „Penthouse“, „New Classic“, „Landart“ und „Woman“ ausbreiten.

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