EU stellt Weichen für Kaunertal
Der Ausbau des Kraftwerks Kaunertal ist für die EU von öffentlichem Interesse. Die Tiwag freut’s, der WWF schreit Alarm.
Von Anita Heubacher
Innsbruck, Brüssel –In Brüssel befanden gestern Abend die Mitgliedstaaten mehrheitlich, dass das geplante Pumpspeicherkraftwerk im Kaunertal ein Projekt von öffentlichem Interesse sei. Auch wenn das noch keine endgültige Entscheidung ist, sieht der heimische Energieversorger Tiwag „die Weichen gestellt“. Bis Jahresende rechnet Tiwag-Chef Bruno Wallnöfer damit, dass es eine rechtlich verbindliche EU-Verordnung geben wird. Die Entscheidung gestern ist für Wallnöfer keine Überraschung. „Die EU bestätigt, dass der Bau eines Pumpspeicherkraftwerks ein wichtiger Baustein für die Energiewende ist.“ Ein solches Kraftwerk könne Energie erzeugen, wenn Sonnen- oder Windenergie auslassen würden. Bereits im Vorjahr hätten die Energieminister aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ein klares Bekenntnis zum Bau von Pumpspeicherkraftwerken abgelegt. „Das jetzt ist eine politische Hilfestellung und eine Unterstützung.“
Dass das UVP-Verfahren dadurch verkürzt würde, glaubt Wallnöfer nicht. „Wir rechnen weiter damit, dass das Verfahren vier bis fünf Jahre brauchen wird.“ Rund 1,1 Milliarden Euro will die Tiwag in den Ausbau des Kraftwerkes Kaunertal stecken. Dazu müsste auch Wasser aus dem Ötztal abgeleitet werden. Der Widerstand gegen die Ausbaupläne der Tiwag ist groß. Der Landesumweltanwalt, Touristiker, Kraftwerksgegner im Oberland und der WWF haben schwere Bedenken.
„Es brennt der Hut“, sagt WWF-Experte Thomas Diem. Für die Umweltschützer ist die Entscheidung aus Brüssel „das falsche Signal“. Diem erinnert noch einmal an die Dimension des Projekts. „Während der Bauphase fahren Hunderte Lkw ins Tal rein und wieder raus.“ Die Staubbelastung sei enorm. Diem kann die EU nicht verstehen. „Auf der einen Seite macht Brüssel Druck auf Österreich, Natura-2000-Gebiete nachzunominieren, und dann werden die Flussheiligtümer Venter und Gurgler Ache dem Kraftwerksbau geopfert.“
Kritik kommt auch von der „Initiative Lebenswertes Kaunertal“. Anstatt das Projekt zu verbessern, stecke die Tiwag ihre Energie anscheinend lieber in Lobbyingarbeit, heißt es in einer Aussendung. Die Bürgerinitiative sorgt vor allem die Belastung durch den Bau und die Zerstörung der Venter und der Gurgler Ache. Das hat auch die Touristiker im Ötztal auf den Plan gerufen. Sie fürchten die Ableitung des Wassers.
Bruno Wallnöfer versteht den Widerstand nicht. „Außer in Tirol gibt es in ganz Europa ein Bekenntnis zu Pumpspeicherkraftwerken.“ Dass es in Tirol nicht so sei, sei „sehr betrüblich“.