Daimler schaltet einen Gang hoch: Vollgas ab 2014
Die Talfahrt des Betriebsgewinns sei beendet, dies sei aber kein Grund sich auszuruhen, sagte Konzernchef.
Stuttgart - Daimler hat die ersten Früchte seines milliardenschweren Sparprogramms geerntet: Der deutsche Autobauer verdoppelte in den Monaten April bis Juni seinen Betriebsgewinn im laufenden Geschäft gegenüber dem ersten Quartal auf 2,1 Mrd. Euro. Gegenüber dem Vorjahr sank er jedoch. Mit Rückenwind durch die weltweit boomende Pkw-Nachfrage und neue Modelle werde Daimler in der zweiten Jahreshälfte weiteren Boden gutmachen, versprach Konzernchef Dieter Zetsche am Mittwoch. Mit geringeren Materialkosten und einer schnelleren Fahrzeugfertigung sei die Profitabilität verbessert worden. Das sei aber noch „kein Grund sich auszuruhen“, sagte Zetsche.
Ausstieg bei EADS
Denn trotz Rekord-Verkaufszahlen bei Pkw und der langsamen Erholung der Lkw-Märkte rund um den Globus kalkuliert Daimler im Gesamtjahr zum zweiten Mal in Folge mit einem Ergebnisrückgang. Im Wettstreit mit BMW und Audi sowie dem schwedischen Lkw-Bauer Volvo müssen die Schwaben sowohl 2013 als auch in den kommenden Jahren noch viel Geld in attraktivere und verbrauchsärmere Fahrzeuge stecken: um mehr Kunden anzulocken und die vorbeigezogenen Pkw-Konkurrenten bis spätestens 2020 wieder vom Thron zu stoßen.
Das zurückliegende zweite Quartal illustriert Daimlers Dilemma: Der Umsatz kletterte dank des Rekord-Absatzes bei Mercedes-Benz um 3 Prozent auf 29,7 Mrd. Euro, weltweit verkauften die Stuttgarter trotz der Absatzkrise in Europa mit knapp 606.000 Pkw, Lkw, Transportern und Bussen sechs Prozent mehr Fahrzeuge als im Vorjahr. Doch im Ergebnis kommen diese mit BMW und Audi vergleichbaren Absatzzuwächse wegen der hohen Ausgaben für Fahrzeugplattformen mit vielen gleichen Bauteilen, spritsparende Antriebe und neue Werke in Übersee nicht an: Der Gewinn vor Steuern und Zinsen sank im laufenden Geschäft im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp 8 Prozent auf 2,1 Mrd. Euro, die operative Marge sackte auf 6,9 von 7,7 Prozent ab. Damit setzt sich Daimler von notleidenden Massenherstellern wie Opel oder Peugeot ab. Das Ziel einer Rendite von neun Prozent in den Auto-Sparten bleibt damit aber in weiter Ferne.
Aufgehübscht wurde die jüngste Quartalsbilanz vom Ausstieg beim Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS, den Daimler vor mehr als einem Jahrzehnt mit aus der Taufe gehoben hatte. Der ausschüttungsfähige Gewinn verdoppelte sich durch den Verkauf des mit 3,2 Mrd. Euro bewerteten EADS-Pakets auf 2,8 Mrd. Euro, womit Daimler die Dividendenzahlung 2014 sichert. Durch den Sondererlös wird die Kapitaldecke dicker: Die Liquidität sei mit netto 11,3 Mrd. Euro „gut“, sagte Finanzchef Bodo Uebber.
„Daimler geht es gut“
„Daimler geht es gut, aber es wird noch besser“, warb Zetsche um Geduld: „Wir werden uns weiter nach vorn arbeiten - Schritt für Schritt.“ Dafür sollen die im vergangenen Herbst im Zuge der Talfahrt der europäischen Automärkte eingeleiteten Sparprogramme sorgen, die Zetsche allen Sparten - von Pkw bis hin zu Bussen - verordnete. Ende 2014 soll das Konzernergebnis dadurch vier Milliarden Euro höher ausfallen als 2012 - und für zusätzlichen Umsatz sorgen, da Daimler mehr Fahrzeuge als bisher auf einer Plattform anbieten und billiger fertigen kann als bisher. Die Programme entfalteten allmählich ihre Wirkung und lägen im Plan, sagte Zetsche.
Um an den Betriebsgewinn des Vorjahres - ohne Sondereffekte wie EADS - in Höhe von 8,1 Mrd. Euro anzuknüpfen, wird es im Jahr 2013 aber nicht reichen, wie Daimler bekräftigte. Reuters-Daten zufolge rechnen die Analysten im Schnitt nur mit 7,6 Mrd. Euro. 2011 waren noch der Rekordwert von 8 Mrd. Euro verdient worden. „Daimler hat erst vor wenigen Monaten den Ausblick gesenkt“, erinnerte Branchenanalyst Zafer Rüzgar von Independent Research. Ob der jüngste Aufwärtstrend nachhaltig sei, müsse Daimler noch unter Beweis stellen. Im Gegensatz zu den Boommärkten USA und China, hätten es in Europa alle Autobauer schwer, Autofahrer für neue Wagen zu begeistern.
Auf dem auch für Daimler ertragreichen westeuropäischen Markt erspäht Zetsche eine Trendwende: Der Tiefpunkt sei wohl „inzwischen durchschritten“. Zuletzt war die Neuwagen-Nachfrage auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren gefallen. Mercedes-Benz habe Marktanteile gewonnen und wolle weitere erobern, versprach der Daimler-Boss. Er setzt auf die neuen Oberklasse-Modelle E und S sowie die Kompaktautos der A- und B-Klasse, die Mercedes neue Kundschaft ins Haus bringen sollen. Von den Einstiegsmodellen verkauften die Schwaben im zweiten Quartal doppelt so viel wie im Vorjahr, jeder vierte verkaufte Mercedes ist inzwischen ein Kompakter. Ein Balanceakt für Daimler: Denn beim Verkauf der Oberklasse-Modelle bleibt mehr Geld hängen als im Segment für Premium-Kompaktwagen, in dem BMW und Audi die Nase vorn haben. (APA/Reuters)