Genuss

Die neuen Stars im Glas

Aperol Spritz und Hugo sind beliebt wie eh und je. Doch die flüssige Konkurrenz sitzt schon in den Startlöchern. Experten verraten, wie die Kultdrinks von morgen schmecken.

Von Kathrin Siller

Innsbruck –300.000 Aperol Spritz werden in der italienischen Region Veneto, der Heimat des Spritz, laut Hersteller Campari täglich getrunken. Auch hierzulande ist das orange Mixgetränk mit seiner 3-2-1-Formel (3 Teile Prosecco, 2 Teile Aperol, 1 Teil Soda) seit Jahren der unangefochtene Sommerhit. Daneben gesellt sich auch ein gewisser Hugo aus Süd­tirol gerne zu uns auf Balkone und Terrassen. Wenngleich der originale Hugo mit Zitronenmelissensirup und nicht – wie bei uns oft verwendet – Holunder­blütensirup gemischt wird. Doch Hugo und Aperol müssen sich warm anziehen, denn selbst die erfolgreichsten Himmelsstürmer müssen irgendwann landen. Viel­e Szenebars haben die zwei Lieblinge schon von ihren Karten gestrichen – durstige Kehlen sind schließlich experimentierfreudig.

Einer, der beste Chancen hat, zum neuen In-Getränk zu avancieren, ist eigentlich ein Klassiker: der Gin Tonic. Barkeeper Andreas Hotter aus Zell am Ziller verspricht dem Longdrink ein Revival: „Er kommt wieder – in allen möglichen Varianten. So etwa als Gin Mare mit Basilikum, Oliven, Thymian und Rosmarin.“ In Berlin hat mit dem G& T bereits ein eigenes Lokal eröffnet, in dem nur Gin Tonics serviert werden.

In der internationalen Barszene zeichnen sich aber noch ganz andere Trends ab: Cuisine Style Drinks nennen die Insider Getränke, die Gutes aus der Küche auch in Cocktails und Co. verarbeiten, so etwa frische Kräuter wie Rosmarin oder Zitronenverbena, aber auch Marmeladen oder Chutneys: „In den Tennessee Marmelade Sour kommen zum Beispiel Whiskey, Zitrone und statt des Zuckers Bitterorangenmarmelad­e“, weiß Hotter.

Die Phantasie der Bar­keeper geht manchmal mit ihnen durch: So kredenzt Hotter seinen Gästen auch schon mal eine Kanonen­kugel. In seinem „Cannonball“ treffen sich Jamaica-Rum, eine Rauchtinktur (u. a. aus geräuchertem Whiskey), frisches Ananaspüree, Zitronensaft und selbstgemachter Popcornsirup.

Weltweit ein riesengroßer Trend ist Alkoholisches in Kombination mit Holunder. Die Franzosen z. B. sind ganz scharf auf ihren Holunderblütenlikör. Doch kaum etwas schmeckt so frisch wie der heimische Holunder, der z. B. als Sirup allen möglichen Drinks zu ihrem charakteristischen, spritzigen Geschmack verhilft. Wie aber schafft es ein Getränk, plötzlich zum sommerlichen Must-Drink zu werden? „Das beste Marketing gewinnt natürlich“, nennt der Innsbrucker Barkeeper Mate Kende einen gänzlich unkulinarischen Grund. Der Aperol hat also auch dank seiner Gute-­Laune-Straßenparty-Werbung so großen Erfolg .

Diese Schwalbe alleine macht aber noch keinen Sommer: „Menschen bringen ihr Lieblingsdrink-Rezept natürlich auch aus dem Urlaub mit“, sagt Kende. Wenn sie dann auf Balkonien ihre Piña colada schlürfen, kommt ein bisschen von diesem Karibik-Gefühl zurück. Um sich endgültig als Sommerdrink zu etablieren, muss ein Getränk aber noch mehr erfüllen: „Nicht zu süß, nicht cremig, nicht zu alkoholisch, fein säuerlich und ein bisschen Kohlensäure“, fasst Kende die wichtigsten Charakteristik­a zusammen.

Für Marcel Bruckner von der Brasserie Brucknerei in Imst erfüllt ein 1872 erfundener, aber erst jetzt wieder entdeckter Aperitif alle diese Anforderungen und hat daher das Zeug zum Sommerstar: „Der Lillet, ein Kräuterwein ähnlich wie Martini bianco, gemischt mit speziellem Rosenwasser-Ginger-Ale, Eiswürfeln, kandierten Rosenblättern und Soda.“ Der Drink komme aus Frankreich und sei auf dem besten Weg zum In-Getränk. Für Hotter hingegen hat ein „Russe“ Chancen auf den großen Coup: der „Moscow Mule“, ein Gemisch aus weißem Wodka, Limette, aufgefüllt mit alkoholfreiem Ingwerbier. Bekannt ist der Drink schon seit den 1940er-Jahren, aber das muss ja nichts heißen.

Und wie würde der Sommer­drink 2013 des Zillertaler Barkeepers schmecken? „Ich persönlich bin ja ein Ingwer­fan. Mein Sommerdrink würde aber wohl Gin enthalten, frische Kräuter, z. B. Estragon, und Himbeeren, vielleicht Tonic, nicht zu süß und ohn­e Sahne. Aber ganz ehrlich: Eine­n Drink zu kreieren, das braucht Zeit.“ Damit es für ihn nämlich nicht nur einen Sommer, sondern auch einen zweiten Frühling gibt.