Staudamm in Brasilien

Neue Hoffnung für die Gegner des Monsterprojekts Belo Monte

Der geplante drittgrößte Staudamm der Welt in Brasilien soll schon zu einem knappen Drittel fertig sein. Doch die Gegner halten noch zwei Trümpfe in der Hand.

Von Floo Weißmann

Brasilia –Im Schatten der Massenproteste gegen die Regierung und des Papstbesuchs köchelt in Brasilien der Konflikt um den Staudamm Belo Monte weiter. Die Regierung will im Amazonasgebiet das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt errichten; ein knappes Drittel soll bereits fertig gestellt sein. Die Indios der Region wehren sich erbittert gegen das Mammutprojekt – u. a. mit Besetzungen der Baustelle.

„Viele Leute hoffen, dass das Projekt noch gestoppt werden kann“, berichtete Ulrike Lunacek der TT. Die EU-Abgeordnete der Grünen hat kürzlich die Baustelle besucht. Ihr zufolge reicht der Widerstand längst über die betroffenen Indios hinaus. Auch in der städtischen Mittelschicht gebe es immer mehr Menschen, für die „die Zerstörung und die Energiegewinnung in keinem Verhältnis stehen“.

Für den Staudamm sollen 500 Quadratkilometer Land unter Wasser gesetzt werden, 40.000 Menschen verlören ihre Lebensgrundlage. Es sei „völlig unklar, was die Betroffenen machen werden“, sagt Lunacek. Schon die Bauphase, die Zehntausende Arbeiter in die Kleinstadt Altamira gespült hat, führt zu sozialen Spannungen. Prostitution und Sexualverbrechen haben stark zugenommen, die Infrastruktur ist teilweise zusammengebrochen.

Dabei wäre das Mega-Kraftwerk nach Ansicht von Kritikern gar nicht notwendig, um den Energiebedarf der aufstrebenden Regionalmacht zu decken. Laut einer Studie im Auftrag des WWF wären Maßnahmen zur Energieeffizienz billiger. Beispielsweise gehen in Brasilien derzeit 17 Prozent des Stroms in den Leitungen verloren.

Auch Österreicher sind in den Konflikt eingebunden. Zu den prominentesten Kritikern gehört der aus Vorarlberg stammende Bischof der Amazonasdiözese Xingu, Erwin Kräutler. Der Kraftwerksbau werde „ohne Rücksicht auf Verluste und gegen die Menschen durchgezogen“, kritisierte Kräutler kürzlich in der Wiener Zeitung. Die beteiligten europäischen Unternehmen würden sich „keinen Deut darum kümmern, was da tatsächlich los ist“. Zu diesen gehört der steirische Anlagenbauer Andritz, der mit einem 330-Mio.-Euro-Auftrag an Belo Monte mitwirkt.

Andritz-Chef Wolfgang Leitner sprach von einem Konflikt zwischen dem Staat und einem „Missionar“, der nichts ändern wolle – eine Anspielung auf Kräutler. Sein Unternehmen wolle dabei nicht der Schiedsrichter sein.

Die Gegner des Kraftwerks hoffen jetzt zum einen auf die Verfassung, die vorschreibt, dass die Indios in Entscheidungen einbezogen werden müssen, die ihren Lebensraum betreffen. Allerdings verschleppt Brasiliens Oberster Gerichtshof eine Entscheidung – mutmaßlich aufgrund von politischem Druck. Es werde versucht, „die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen zu stellen“, meint Lunacek.

Zum anderen kann der Unmut über die politische Führung in die Hände der Kraftwerksgegner spielen. Zwar bezweifelt Lunacek, dass die aktuelle Regierung den Bau noch stoppen würde. Immerhin hat die jetzige Präsidentin Dilma Roussef das Projekt in ihrer Zeit als Energieministerin selbst gestartet. Aber die politische Führung ist durch die Massenproteste unter Druck geraten. Die Demonstranten werfen der Regierung vor, sich mehr um ihre Milliardenprojekte zu kümmern als um den Alltag der Menschen.

Laut einer Umfrage im Auftrag des brasilianischen Medienkonzerns Globo ist die Zustimmung zu Roussef im vergangenen halben Jahr von 58 auf 30 Prozent eingebrochen. Damit steht ihre Wiederwahl im nächsten Jahr plötzlich in Frage. Ihre derzeit größte Konkurrentin, die Umweltschützerin Marina Silva, stammt selbst aus dem Amazonasgebiet und will das Kraft­werks­pro­jekt stoppen.