Tunesien

Wieder Oppositioneller getötet: Massive Proteste in Tunesien

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Tausende Demonstranten versammelten sich vor dem Innenministerium in der Hauptstadt, nachdem die Nachricht vom Tod Mohamed Brahmis bekannt wurde.

Tunis - Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate ist in Tunesien ein Oppositionspolitiker auf offener Straße erschossen worden. Mohamed Brahmi sei am Donnerstag getötet worden, als er sich mit seiner behinderten Tochter vor seinem Haus in Tunis aufgehalten habe, sagte ein Vertreter seiner weltlichen Volkspartei der Nachrichtenagentur Reuters. Die Täter seien auf einem Motorrad geflohen. Nach dem Bekanntwerden der Todesnachricht versammelten sich Tausende Demonstranten vor dem Innenministerium.

Erst im Februar wurde der weltliche Oppositionspolitiker Chokri Belaid erschossen. Sein Tod löste die größten Demonstrationen seit dem Sturz des Machthabers Zine al-Abidine Ben Ali im Jänner 2011 aus. Die von Islamisten geführte Regierung machte damals Salafisten für die Tat verantwortlich, die im Islam eine erzkonservative Strömung vertreten.

Brahmis Witwe Mbarka sagte, eine „kriminelle Bande“ habe ihren Mann getötet. Sie sagte aber nicht, wen genau sie hinter der Tat vermutet. Brahmi war ein bekannter Kritiker der regierenden Ennahda-Partei und ein Mitglied der verfassungsgebenden Versammlung, die ein Grundgesetz für das Mittelmeerland ausarbeiten soll. Der Vorsitzende des Gremiums erklärte den Freitag zu einem Trauertag. Die größte Gewerkschaft rief zu einem Generalstreik auf. Ennahda-Chef Rached Ghannouchi sagte, das Attentat ziele darauf ab, die Demokratisierung Tunesiens zu stoppen und das einzig erfolgreiche Modell in der Region nach der Gewalt in Ägypten, Syrien und Libyen zu zerstören.

Nicht nur in Tunis gab es Demonstrationen. Auch in Sidi Bouzid im Süden des Landes, wo die Revolution ihren Anfang nahm, gingen Menschen auf die Straße. Sie hätten Reifen in Brand gesetzt, berichtete ein Einwohner. „Die Leute sind außer sich.“ Zeugen berichteten zudem, dass zwei Büros der Ennahda-Partei angezündet worden seien.

Der Übergang in Tunesien ist vergleichsweise friedlich verlaufen. Die Ennahda teilt sich die Macht mit kleineren weltlichen Parteien. Die Religion spielte bisher eine so geringe Rolle wie in kaum einem anderen arabischen Land. Seit dem Sturz Ben Alis sind religiöse Hardliner aber erstarkt. (APA/Reuters)