Medizintechnik als Wachstumsmotor für Tirol
Über klassische Branchengrenzen hinweg entwickelt sich Tirol als starker Standort der Branche, unter anderem sogar für Weltmarktführer.
Von Beate Troger
Innsbruck –Sie produzieren Katheter, Hörimplantate, OP-Leuchten oder Röntgenzubehör und tüfteln permanent an Innovationen zum Wohle der Patienten. Überwiegend abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit hat sich Tirol zu einem starken Standort für Medizintechnik-Unternehmen entwickelt. Gemessen an der Einwohnerzahl beherbergt Tirol mit mehr als 80 Firmen und 35 Forschungsgruppen eine höhere Dichte an medizintechnischen Unternehmen als Wien.
Die Branche gilt als eine der größten und zukunftsträchtigsten überhaupt, das Wachstumspotential ist groß. Immer mehr Tiroler Firmen fokussieren sich auf diese Sparte, die eng mit den Universitäten und Forschungsinstituten zusammenarbeitet. „Zum einen handelt es sich bei den Unternehmen um viele kleinere Newcomer, die aus universitären Forschungsprojekten gegründet worden sind, zum anderen entdecken auch Firmen aus anderen Branchen die Medizintechnik als interessantes Feld für sich“, sagt Petra Stöckl. Sie managt bei der Standortagentur Tirol den Cluster „Life Sciences“, also Biowissenschaften, dem auch die Medizintechnik zugeordnet ist.
Einer der ersten Durchstarter von der Uni Innsbruck war das Unternehmen Med-El. Die Professoren Erwin und Ingeborg Hochmair entwickelten 1977 das erste mikroelektronische Innenohr-Implantat. Seit der Firmengründung 1990 ist Med-El zum Weltmarktführer für Hörimplantate aufgestiegen und beschäftigt mehr als 1500 Mitarbeiter.
Einst produzierte etwa das Unternehmen Leonhard im Osten der Landeshauptstadt Papierprodukte, seit den frühen 80er Jahren hat sich der Familienbetrieb auf Elektroden u. a. für EKG-Geräte und Defibrillatoren spezialisiert. Mit 230 Mitarbeitern erwirtschaftet Leonhard Lang heute einen Umsatz von mehr als 30 Mio. Euro und gilt als eines der wichtigsten Unternehmen der Branche.
Neben den größeren Leitbetrieben und zahlreichen kleineren Start-ups (siehe Kasten rechts) wenden sich auch immer mehr Betriebe aus ganz anderen Bereichen der Medizintechnik zu. „Branchengrenzen verschwimmen zusehends“, sagt die Cluster-Chefin Petra Stöckl, „immer mehr Unternehmen nähern sich dem breiten Life-Sciences-Bereich an.“ So produziert der Werkstoffspezialist Plansee unter anderem etwa Röhrenbauteile, Abschirmungen und Anoden für die Röntgendiagnostik sowie hochpräzise Geräte, die in der Strahlentherapie Anwendung finden. Auch das Lichtlabor Bartenbach in Aldrans entwickelte gemeinsam mit dem deutschen Medizintechnik-Konzern Trumpf neue LED-Leuchten speziell für Operationssäle. Ebenso hat sich der IT-Anbieter World Direct mit Softwareanwendungen im Medizinbereich ein weiteres Standbein geschaffen.
Im Cluster treibt die Standortagentur auch die Zusammenarbeit der Unternehmen untereinander sowie mit den Universitäten voran und unterstützt auch Gründungen so genannter universitärer Spin-offs. „Unser Ziel ist es, dass die Erkenntnisse aus der Forschung möglichst effizient zur Anwendung und damit dem Patienten zugutekommen“, erläutert Stöckl. Insgesamt erwirtschafteten die 62 Unternehmen des Clusters Life Sciences mit 15.000 Mitarbeitern 2012 einen Umsatz von 2,7 Mrd. Euro – getragen vor allem von der Tilak, den Universitäten und großen Pharmaherstellern wie Sandoz. 2007 waren es noch 2 Mrd. Euro.
Mit Subventionen von Land und Bund werden Forscher, die sich von der universitären Entwicklung in die Privatwirtschaft wagen, unterstützt. Das Land Tirol fördert u. a. Kooperationen von Unternehmen, im Bereich der Medizintechnik und Biowissenschaften wurden bereits fünf so genannte K-Regio-Zentren gegründet. Vorzeigeprojekt dabei ist das Krebsforschungszentrum Oncotyrol mit über 50 Partnern.