Hollerbusch im Hallenbad
In der Regie von Markus Völlenklee weiß „Das Käthchen von Heilbronn“ nicht ganz, was es sein soll. Das Bühnenbild ist stimmiger als die Inszenierung.
Von Christiane Fasching
Telfs –Im Hochsommer ein überhitztes Hallenbad zu besuchen, ist verrückt. Fast so verrückt, wie sich liebestoll an einen Kerl zu ketten, der einem die kalte Schulter zeigt – der Auftakt der Tiroler Volksschauspiele Telfs strotzt also nur so vor wagemutigem Wahnsinn. Volksschauspiel-Obmann Markus Völlenklee hat nämlich „Das Käthchen von Heilbronn“, Heinrich von Kleists romantisches Ritterspiel, ins Telfer Hallenbad verfrachtet – und Bühnenbildner Karl-Heinz Steck damit eine klatschnasse Spielwiese verschafft, die einen verzaubert. Die blitzblauen und chlorgetränkten Wellen bilden das Fundament für hölzerne Stege und eine wackelige Brücke, auch ein Burgturm sprießt empor. Eine robuste Bühne gibt’s nicht, stattdessen schippern wankende Flöße übers Wasser, in dem sich farbenfrohe Lichtspiele widerspiegeln – poetischer könnte das plätschernde Setting nicht sein.
Doch die Idee, Käthchen baden gehen zu lassen, zieht auch Probleme nach sich. Auf den Rängen des Hallenbads ist’s nämlich schweißtreibend heiß. Und zwar so heiß, dass man sich schwertut, einen klaren Kopf zu bewahren. Und den braucht man, um der vertrackten Handlung folgen zu können. Oder anders gesagt: Wer nicht den Faden verlieren will, sollte vorab in den Kleist’schen Text eintauchen. Sonst droht der Untergang.
Schließlich dreht sich das Verwirrspiel nicht nur um das Mädchen Käthchen (Lisa-Maria Sexl), das sich – einer Stalkerin gleich – dem Graf vom Strahl (Wolfgang Menardi) an den Hals wirft. Ihre Tugendhaftigkeit und ihren Verlobten Maximilian (Philipp Rudig) schießt die Tochter eines Schmieds (Lorenz Gutmann) in den Wind, weil sie lieber dem Fingerzeig eines ihr im Traum erschienenen Engels folgt als dem Ruf der Vernunft. Der Begehrte weiß nicht ganz, wie ihm geschieht – hofft er doch auf eine holde Kaiserstochter, selbst wenn ihm die irre Katharina gar nicht so schlecht gefällt. Doch da biegt die aufgemaschelte Kunigunde (Nadine Schori) ums Eck, prahlt mit blaublütigem Stammbaum und sieht sich schon als gräfliche Braut. Dass sie dem Rheingraf vom Stein (Christoph Wehr) versprochen ist, verschweigt sie. Dass sie ein durchtriebenes Luder ist, das es nur auf des Grafen Hab und Gut abgesehen hat, natürlich auch. Doch am Ende löst sich alles in Wohlgefallen auf: Der Kaiser (Ute Heidorn) outet sich als leiblicher Vater Käthchens, die nun des Grafen würdig ist. Der Engel, der ihr einst beim Schläfchen unterm Hollerbusch erschien, hatte also Recht: Es lohnt sich, seinem Herzen zu folgen.
Völlenklees Regie folgt indes keinem klaren Konzept: Ist sein „Käthchen von Heilbronn“ nun ein getragenes Drama, ein actionreiches Ritterspiel oder eine zu Herzen gehende Romanze? Erst nach der Pause findet das Spiel seine Form – und zeigt sich als spritzige Komödie mit feuchtfröhlichen Plantsch-Passagen, die von einem starken Ensemble getragen wird. Wolfgang Menardi gibt sprachgewaltig und kampfeslustig den wackeren Grafen, während Lisa-Maria Sexl als entrücktes und liebestrunkenes Käthchen betört. Nadine Schori schießt als wandelndes Ersatzteillager Kunigunde den Vogel ab – vor allem, wenn sie mechanisch wie eine Spieluhr-Figur ein Tänzchen wagt. Und Ute Heidorn setzt als gebrechlicher Kaiser mit Herzleiden dem Wasserspiel die Krone auf.